Wir schreiben an Frau Schopper – Kultusministerin ( 06.02.2023)

Sehr geehrte Frau Schopper,
in den letzten beiden Jahren ist die pädagogische Arbeit in den Kitas zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Dies ist sicherlich der aktuellen Lage, sei es dem Fachkräftemangel oder auch der derzeitigen Diskussion um Gewalt in Kitas geschuldet. Als Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg verfolgen wir die Entwicklung interessiert und bringen kontinuierlich unsere Praxisexpertise ein.
Seit unserer Gründung im Januar 2021 sind wir ein stetig wachsender und aktiver, ehrenamtlich geführter Verband.   
Gemeinsam mit Eltern, Trägern und Interessierten machen wir uns auf den Weg, um die Bedingungen in den Kitas Baden-Württembergs bedeutend zu verbessern. Wir wollen, dass Kitas zu einem Ort werden an welchem Kinder, Eltern und Pädagogen gemeinsam wachsen, leben und sich weiterentwickeln können.
Als Berufsverband haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, kontinuierlich auf die Themen und Probleme in den Kitas in Baden-Württemberg aufmerksam zu machen. In diesem Zuge sind bereits gut Kontakte zu Politiker*innen entstanden, doch wünschen wir uns, unsere Praxisexpertise in der politischen Diskussion wie beispielsweise bei den „Runden Tischen“ im Kultusministerium bereits vor Entscheidungen mehr einbringen zu können.
Der Idee eines Kita-Gipfels stehen wir aufgeschlossen gegenüber und würden als Vertretung Fachpraxis bei einem solchen einbringen. Die Verantwortung zur Initiierung eines Kita-Gipfels sehen wir allerdings auf politischer Ebene.
Wir begrüßen den aktuellen Versuch, durch eine Werbekampagne auf unseren Beruf aufmerksam zu machen. Gleichzeitig stellen wir fest, dass scheinbar im Vorfeld wenig mit pädagogischen Fachkräften darüber gesprochen wurde, wie sich deren Berufsalltag gestaltet, und was ihnen bei einer solchen Kampagne wichtig gewesen wäre. Als Berufsverband stellt sich uns weniger die Frage der Personalgewinnung, denn die Ausbildungs- und Studienwege sind vielfältiger geworden und die Kapazitäten wurden massiv ausgebaut. Vielmehr stellt sich uns die Frage, wie das gewonnene Personal gehalten werden oder nach einer Arbeitsunterbrechung wiedergewonnen werden kann. Gerade in den Kitas finden wir eine besondere Form des Fachkräftemangels vor, denn hier liegen Problem und Teillösung der deutschlandweiten Schwierigkeiten direkt beieinander. Ohne eine qualitativ hochwertige Bildung in Kitas halten wir viel Potenzial, gerade von Frauen, dem Arbeitsmarkt fern. Somit muss nicht nur massiv in den Ausbau von Kitaplätzen investiert werden, sondern insbesondere in die Ausstattung, den Personalschlüssel und die Personalbindung in Kitas. Hierzu benötigt es mehr als eine Werbekampagne für den Beruf. Es braucht echte Verbesserung der Arbeits- und Rahmenbedingungen. Dies könnte man erreichen, indem in jeder Kita Stellen geschaffen werden für Hauswirtschaftskräfte und indem jede Kita anteilig an ihren Bedarf eine Integrationsfachkraft beschäftigen kann. Außerdem durch die Weiterführung, Verstetigung und den Ausbau der Sprach-Kitas. Dies sind nur einige der erfahrungsbasierenden Ideen aus unserer Arbeitspraxis.
Sicher ist aber, dass nichts gewonnen ist, solange pädagogische Fachkräfte desillusioniert aus dem Beruf aussteigen, oft schon nach wenigen Berufsjahren. Diese Werbekampagne zeigt den Idealzustand in einer Kita, spiegelt aber nicht die Realität, vor allem die Realität in Kitas, in denen der Fachkräftemangel bereits massiv angekommen ist. Doch wie werbewirksam wäre diese Realität?
Laut der aktuellen Bertelsmann Studie 2022 sind 48,4% der Kitakinder in Baden-Württemberg nicht kindgerecht betreut. Im gesetzlichen Auftrag der Kitas SGB VIII Abschnitt 3 § 22-26 rangieren Bildung, Erziehung und Betreuung gleichrangig. Niemals darf das Kindeswohl wegen Aufsichtspflichtverletzungen durch zu große Gruppen und mangelndes Personal aufs Spiel gesetzt werden. Aus diesem täglichen Spagat zwischen Einhaltung der Aufsichtspflicht und Wahrung der Kinderrechte ergeben sich immer wieder Situationen, die das pädagogische Fachpersonal an ihre Belastungsgrenzen und darüber hinausbringen. Die daraus resultierenden Grenzverletzungen in Kitas nehmen zu und zeigen uns, dass mehr als eine Werbekampagne zur Personalgewinnung nötig ist.
Es gibt in vielen unserer Kitas gut erarbeitete Schutzkonzepte, um Kinder vor seelischer und körperlicher Gewalt zu schützen. Die Kitas, in denen es noch keines gibt, haben jüngst den Arbeitsauftrag bekommen, einrichtungsbezogene Schutzkonzepte verpflichtend zu erstellen.
Dass sich die Gewalt in deutschen Kitas häuft, ist ein deutliches Alarmsignal und sehr besorgniserregend. Bekanntlich hilft das beste Konzept nichts, wenn sich weiterhin an den Rahmen- und Arbeitsbedingungen nichts ändert.
Die Gruppen sind zu groß, die Räumlichkeiten vielerorts veraltet und zu klein, es mangelt an Personal, und es bleibt zu wenig Zeit für die individuelle Zuwendung zum einzelnen Kind. In Baden-Württemberg wird mit einem veralteten Personalschlüssel gerechnet, der es nicht zulässt, allen Kindern gerecht zu werden. Der zunehmend hohe Aufwand, sei es für individuelle Fördermaßnahmen, die bedürfnisorientierte Begleitung von Eltern, oder den bürokratischen Aufwand und überbordende Dokumentationen, stellt die Kitas zusätzlich vor große Herausforderungen. Letztendlich geht die Zeit, die Fachkräfte dafür aufwenden müssen, immer von der Zeit ab, die für die Bildung und Erziehung der Kinder wichtig wäre. Was das für die spätere Schullaufbahn bedeuten kann, zeigt sich unter anderem in der ansteigenden Zahl der Schulabbrecher. Um dem gegenzusteuern, ist es wichtig, in qualitativ bessere Kitas und somit in frühkindliche Bildung zu investieren. Nur dann können Kinder gut auf die Schule vorbereitet und beim Erwerb von Lebenskompetenzen begleitet werden. Deshalb benötigen wir deutschlandweit einen kindgerechten, den Erfordernissen der Praxis angepassten Personalschlüssel in den Einrichtungen und echte Arbeitsentlastungspakete für pädagogische Fachkräfte, damit diese das Berufsfeld nicht verlassen.
Ihrer Aussage, dass wir eigentliche hohe Standards brauchen, stimmen wir als Verband für Kitafachkräfte vollumfänglich zu. Diese Standards sehen wir aber momentan stark unter Beschuss und die ersten “Kompromisse” wurden bereits beschlossen. Der Trend in den Baden-Württembergischen Kitas ist bereits in der Abwärtsspirale.
Was wir brauchen ist Aufschwung, ein völlig neues Denken und die Möglichkeit der kontinuierlichen Beteiligung der Betroffenen, der Kinder und pädagogischen Fachkräfte, um die Lebenswelt der Kinder zu verbessern und qualitativ hochwertige Bildung anzubieten. Das kann nur gelingen, wenn Politik, Gesellschaft und pädagogische Fachkräfte Hand in Hand arbeiten, um die aktuellen Probleme in den Griff zu bekommen.
Sehr gerne würden wir bei einem Online-Meeting mit Ihnen unsere Praxisexpertise einbringen, um gemeinsam an tragfähigen Lösungen zu arbeiten.

Mit freundlichen Grüßen im Namen des Vorstands

Anja Braekow

Pressemitteilung zur neuen Kita-Kampagne des Kultusministerium (20.01.2023)

Am 18.01.2023 wurde diese Kampagne von Staatsminister Schebesta eröffnet.

https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/start-der-kita-kampagne-mehr-bekommst-du-nirgendwo

Wir als Verband begrüßen solche Aktionen grundsätzlich. Da wir aber kein Nachwuchs- sondern ein Strukturproblem haben, kannst Du hier unsere PM zu dieser Kampagne lesen.

PM KitaKampagne Jan23

Wir freuen uns über Rückmeldungen, wenn diese PM in Deinem Netzwerk weiter geleitet wird und natürlich auch über Kommentare hier im Beitrag.

 

Wir sind nun 2 Jahre alt ! (04.01.2023)

Am 04.01.2021 trafen sich 10 mutige und entschlossene pädagogische Fachkräfte und gründeten den Verband Kitafachkräfte Baden-Württemberg.
Jetzt feiern wir den 2. Geburtstag und freuen uns über unsere Mitglieder, unsere Kontakte und unsere Erfolge.
Danke an alle die uns vor und hinter den Kulissen unterstützen.
Es gibt noch einiges zu tun.
Bist Du schon dabei?
Wir stehen für Veränderung!

Wir im Radio – Deutschlandfunk Campus & Karriere (03.01.2023)

Nach unserer Pressemitteilung erreichte uns die Anfrage zu diesem Interview.

Unsere 1. Vorsitzende Anja Braekow stellte sich dem Thema und den Fragen.

Nachzuhören hier:

https://www.deutschlandfunk.de/rahmenbedingungen-in-kitas-veraendern-interview-mit-a-braekow-vkf-dlf-ab0b2122-100.html

Uns als Verband ist es wichtig auf das Thema „Gewalt in Kitas“ aufmerksam zu machen. Wir arbeiten alle unter Rahmenbedingungen die den Kinderschutz sehr schwer machen und in manchen Fällen sogar nicht mehr zu erfüllen.

Aus diesem Grund arbeiten wir an Veränderungen! Für die Kinder !

Gewalt in Kitas – Pressemitteilung (28.12.2022)

Gewalt in Kitas – Welche Konsequenzen zieht die Politik?
Auch den Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg bewegt das Thema „Anstieg der Gewalt in Kitas“. Wir halten die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema für dringend notwendig.
Wenn Bundesfamilienministerin Paus davon spricht, dass es trotz Überforderung keine Gewalt in Kitas geben dürfe, wirft das für Fachkräfte aus der Praxis allerdings Fragen auf, denn die Rahmenbedingungen sind aktuell vielerorts nicht kindgerecht, was ebenfalls eine Verletzung der Kinderrechte darstellt.
Gewalt in Kitas darf nicht sein. Sie ist aber da und in vielen Einrichtungen zumindest in subtiler Form präsent. Verletzendes Verhalten in Kitas beschränkt sich nicht auf die durch Recherchen des Bayerischen Rundfunks aufgedeckten Fälle. Auch Fachkräfte aus Baden-Württemberg können von unangemessenem oder übergriffigen Verhalten und Gewalt in Kitas berichten. Verdachtsfälle, die polizeirelevant sind, bilden nur die Spitze des Eisbergs. Viel häufiger kommen in der Praxis Formen der sogenannten Alltagsgewalt vor. Als Beispiele führt Anja Braekow, 1. Vorsitzende vom Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg an, dass Verhalten auftreten können, bei denen „der Ton rauer und lauter wird, Kinder bekommen nicht die nötige Zeit und Begleitung beim Anziehen, sie werden sozusagen abgefertigt“.
Eine Ursache liegt sicherlich im Berufsverständnis und der persönlichen Eignung einzelner Fachkräfte. Als Berufsverband stimmen wir Ministerin Paus zu, dass es wichtig ist gut ausgebildetes Personal in Kitas zu beschäftigen. Fortbildungen, Schulungen, ein funktionierendes Beschwerdemanagement und institutionelle Schutzkonzepte können zusätzlich zur Professionalisierung beitragen. „Dennoch muss das ganze Kita-System betrachtet werden“ Braekow erläutert weiter „zu große Gruppen, Personalmangel, Überlastung, hohe Förderbedarfe einzelner Kinder und vieles mehr sind vielerorts Alltag“. Eine bedeutsame und häufige Ursache für verletzendes Verhalten gegenüber Kindern sind die strukturellen Mängel im Kita-System. Sie bilden einen Nährboden für Vernachlässigung und Alltagsgewalt. Dies zeigt beispielsweise die vielbeachtete Studie „Verletzendes Verhalten in Kitas“ die von Prof. Dr. Astrid Boll und Prof. Dr. Remsperger-Kehm 2021 veröffentlicht wurde.
„Die nun in Baden-Württemberg beschlossene Änderung, dass mehr Kinder betreut werden dürfen und das Gerichtsurteil, dass ein Betreuungsplatz gestellt werden muss, werden die Situation zusätzlich verschärften“ äußert sich Anja Braekow, 1. Vorsitzende vom Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg. Große Kindergruppen in beengten Räumlichkeiten und eine schlechte Fachkraft-Kind Relation führen zu Überforderung von Kindern und Personal. Der Einsatz von Aushilfskräften, die nicht zusätzlich, sondern anstelle von Fachkräften eingesetzt werden, erschwert ein gutes pädagogisches und fachliches Arbeiten außerdem.
Das Kita-System ist komplex. Träger, Kommunen, Land und Bund bilden hier eine Verantwortungsgemeinschaft. Um strukturelle Mängel, die Gewalt begünstigen, zu beseitigen, müssen alle Beteiligten mehr tun. Einen Alltag unter kindgerechten Bedingungen für unsere Jüngsten zu schaffen, muss erklärtes Ziel aller Verantwortlichen sein.
Es ist gut, dass Ministerin Paus ihrem Entsetzen Ausdruck verliehen hat. Wenn sie ihren Worten Taten folgen lassen will, muss sie sich für eine Erhöhung der Bundesmittel im Kita-Bereich einsetzen sowie sicherstellen, dass diese Mittel ausschließlich für eine bessere Personalisierung und Ausbildung neuer Fachkräfte genutzt werden. Chancengleichheit für die Kinder aller Bundesländer zu schaffen, Kinderrechte und Kinderschutz sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern, gehören zu den Aufgaben der Bundesregierung.

Aufruf zum Schutz der Rechte von Kindern in Kitas (21.12.2022)

Am 21.12.2022 erreichte unser dieser Brief:

„Kitas müssen die Rechte der Kinder schützen!

Liebe Kolleg:innen, liebe Mitstreiter:innen,

in den letzten Tagen gingen mehrere Berichterstattungen zum Thema Fehlverhalten und Gewalt in Kitas durch die Medien.

Kitas sind gut für Kinder, wenn die Kitas gut sind. Wir wissen aber, dass auch Grenzüberschreitungen zum alltäglichen Kitaleben von Kindern gehören. Wir solidarisieren uns mit den Kindern und fühlen uns verpflichtet, die Gelegenheit der öffentlichen Aufmerksamkeit zu nutzen, um für den Schutz der Rechte von Kindern einzutreten und pädagogische Fachkräfte zu stärken.

Wir fordern: mehr Personal und gute Rahmenbedingungen für die Pädagog:innen.

Wir fordern: Professionalisierung zu kinderrechtsbasiertem pädagogischen Handeln, damit Gewalt in Kitas nicht vorkommt.

Wir fordern: wirksame Beschwerdeverfahren für Kinder und ihre Familien.

Wir fordern: mehr gezieltes Monitoring und Forschung.

Im Anhang finden Sie den Aufruf zum Schutz der Rechte von Kindern in Kitas. Wir freuen uns, wenn Sie ihn in Ihrer Öffentlichkeitsarbeit nutzen und Ihre Netzwerke darüber informieren. Dazu können Sie gern unser Mailanschreiben anpassen. Bitte beachten Sie, dass der Aufruf erst am Donnerstag, 22.12.2022 um 6 Uhr morgens veröffentlicht werden soll.

Wir bedanken uns bei Ihnen für die große spontane Unterstützung und wünschen friedliche Feiertage!

Herzliche Grüße

Frauke Hildebrandt, Catherine Walter-Laager, Bianka Pergande, Katrin Macha, Gerlind Große und Jörg Maywald“

P.S. Zur aktuellen Berichterstattung gehören u.a. folgende Links:

  1. BR24-Artikel vom 14.12.2022: https://www.br.de/nachrichten/bayern/gewalt-in-kitas-zahl-der-meldungen-steigt-stark-an,TPu3dnT
  2. tagesschau.de-Artikel vom 14.12.2022: https://www.tagesschau.de/investigativ/br-recherche/kindertagesstaetten-gewalt-personalmangel-101.html
  3. Das gezeichnete Socialvideo: https://www.facebook.com/BR24/videos/1205094673549770
  4. BR24-Artikel vom 15.12.2022: https://www.br.de/nachrichten/bayern/kita-recherchen-des-br-beschaeftigen-landtag,TQ6ZuBZ
  5. Spiegel‑online-Artikel vom 13.12.2022: https://www.spiegel.de/panorama/bildung/verdacht-auf-gewalt-in-kitas-alleingelassen-blossgestellt-zum-essen-gezwungen-a-9f688b17-2d52-4841-81eb-7ff97190b18d?sara_ecid=soci_upd_KsBF0AFjflf0DZCxpPYDCQgO1dEMph
  6. Interview im Spiegel vom 20.12.2022: https://www.spiegel.de/panorama/bildung/probleme-in-kitas-gewaltfreie-erziehung-ist-ein-unerreichbares-ideal-sagt-forscher-joerg-maywald-a-0f23d924-038a-4330-92da-d3bda5bd49f7 
Aufruf-Kitas-muessen-die-Rechte-der-Kinder-schuetzen

 

Inzwischen gibt es auch eine Petition unter:

https://www.openpetition.de/petition/online/kitas-muessen-die-rechte-der-kinder-schuetzen

 

Selbstverständlich unterstützen wir diese Aktion.

 

Änderung der KitaVo in Baden-Württemberg (Pressemitteilung) (14.12.2022)

Pressemitteilung zur Änderung der KitaVO

„Bildung wird in Baden-Württemberg scheinbar klein geschrieben“ kritisiert Anja Braekow 1. Vorsitzende vom Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg die Pläne der Regierung scharf.

Eine Vergrößerung der Kita-Gruppen sein ein „signifikant falsches Signal an die Kommunen und Fachkräfte. Denn es bedeutet das Betreuung über Bildung steht und das kann und darf sich unsere Gesellschaft nicht leisten“ unterstreicht sie. „Immer mehr Kinder benötigen Sprachförderung und individuelle Begleitung und Eltern brauchen immer mehr Unterstützung, die Arbeitsbelastung steigt also stetig. In dieser eh schon angespannten Situation noch mehr Kinder zu betreuen endet in einem Desaster“ mahnt Braekow an.

„Die kommunalen Spitzenverbände und das Land stellen den Rechtsanspruch auf Betreuung über das Kindeswohl und die Bildung. Hier wird ein in unseren Augen völliger falscher Weg eingeschlagen der uns mittelfristig durch eine Kündigung- und Krankheitswelle mehr Kita-Plätze kostet als bringt“ weiter führt Braekow aus “ wir brauchen dringend Entlastung in den Kitas damit nicht auch noch das verbliebene Personal abwandert. Diese würde man zeitnah und relativ kostengünstig zum Beispiel über FSJ Kräfte, Hauswirtschaftskräfte, Integrationskräfte und Verwaltungskräfte schaffen.“

StS-Schreiben - Änderung der KitaVO
Anlage Normtext_neu 1a KitaVO

 

 

Offener Brief zum Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes Mannheim (13.12.2022)

Stellungnahme zum Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg vom 23. November 2022 im Einzelfall eine zeitlich begrenzte Ausnahmegenehmigung zur Überbelegung einer Kita zu erteilen, erreicht die Diskussion zur Betreuung und Bildung in den sowieso schon sehr angeschlagenen Kitas eine neue Dimension.

Diese Entscheidung ist für die pädagogische Praxis fatal und setzt ein völlig falsches Zeichen: Ein Kind mehr im Einzelfall ist doch kein Problem?! Jedes einzelne Kind mehr in ohnehin schon

überfüllten Gruppen mit zu wenigen Fachkräften stellt sehr wohl ein Problem dar, dies zeichnet sich im Alltag bereits jetzt ab. Der Fokus bei größerer Gruppenstärke liegt auf satt und sauber, Bildung und Erziehung stehen dann hinten an. Solche juristischen Entscheidungen lassen in der Praxis die Waagschale zu Gunsten der Betreuung kippen.

Der Dreiklang zwischen Betreuung, Bildung und Erziehung muss wieder ausgewogen werden.

Eine qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung legt den Grundstein für die weitere Entwicklung. Um wirklich Chancengleichheit zu erreichen muss es endlich möglich werden, dass in Kitas die frühkindliche Bildungsarbeit wieder zuverlässig stattfinden kann.

Mit diesem Beschluss steht der Rechtsanspruch über dem Kindeswohl. Gerade in der heutigen Zeit aber stellen Experten fest, dass immer mehr Kinder unter Lärm und Reizüberflutung leiden. Eine generelle oder auch temporäre Erweiterung der Gruppenstärke in bestehenden, teils veralteten und zu engen Räumlichkeiten, erhöht diese Stressoren bei Kindern und pädagogischen Fachkräften und wirkt sich unmittelbar gesundheitsschädlich aus. Zudem benötigen immer mehr Kinder eine individuelle und intensive Begleitung und dies nicht allein im Bereich der Sprachförderung oder der Vermittlung von Deutschkenntnissen. Dadurch wird die ohnehin dünne Personaldecke bereits stark strapaziert. Jedes Kind mehr bedeutet im Umkehrschluss für jedes Kind weniger Zeit und damit einhergehend eine größere Gefährdung, da die Aufsichtspflicht und die Umsetzung des Gewaltschutzkonzepts nicht mehr sicher gewährleistet werden können. Elementare Kinderrechte wie das Recht auf körperliche Unversehrtheit und das Recht auf Bildung können bereits unter den aktuell bestehenden Rahmenbedingungen nicht realisiert werden und sind bald unerreichbar.

Bildungsdokumentationen, Elterngespräche, Portfolios, Projektarbeit und zahlreiche alltägliche Aufgaben mehr sind wichtig und zeitintensiv. Diese können nicht mehr erfüllt werden, weil den Fachkräften die Zeit fehlt, sich damit auseinanderzusetzen. Verfügungszeiten werden häufig gestrichen, um die Betreuungszeiten nicht einschränken zu müssen.

​Die Auswirkungen spüren wir seit geraumer Zeit: immer mehr Fachkräfte kehren den Kitas den Rücken zu oder beginnen erst gar nicht im Kita-Bereich weil ihr Anspruch an qualitativ hochwertige Arbeit mit der Realität nicht in Einklang zu bringen ist.

Diese Diskrepanz führt zu emotionalem Stress, welcher wiederum einen hohen Krankenstand hervorruft. Zudem ist der Beruf für junge Menschen aus verschiedenen Gründen nicht mehr attraktiv. Wir befürworten die Idee Quereinsteiger *innen zu gewinnen. Wenn die Qualifizierung hier auf gleichem Niveau mit den Inhalten aus der regulären Ausbildung stattfindet, kann dies eine Bereicherung für die Arbeit in den Kitas sein.

Wir haben vollstes Verständnis für die Not berufstätiger Eltern.

Der Fokus der Betreuung verschiebt sich immer weiter auf die Einrichtungen, da sich Strukturen wandeln und Betreuungsmöglichkeiten innerhalb der Familien und Sozialgefüge wegfallen.

Der Druck der Arbeitnehmer*innen ist enorm. Hier ist dringend Handlungsbedarf: Arbeitgeber*innen und freie Wirtschaft müssen mit in die Verantwortung genommen werden. Gemeinsam muss über neue Arbeitszeitmodelle, Formen der Kinderbetreuung sowie deren Finanzierung diskutiert und Lösungen gefunden werden.

Die Kommunen stecken in einem Dilemma, da sie permanent den Spagat zwischen Gesundheitsschutz des Personals sowie Einhaltung von Vorgaben zum Kindesschutz einerseits und dem Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz andererseits leisten müssen. Der nun durch den Verwaltungsgerichtshof gefällte Beschluss zeigt auf, in welche Richtung die Kommunen angehalten sind zu handeln und er zeigt klar auf in welchem Rahmen die Landes- und Bundespolitik angehalten ist nach zu justieren, damit Bildung, Erziehung und Betreuung wieder gleichberechtigt in der Waagschale liegen.

Ein „weiter so“ kann es unter diesen Umständen nicht geben. Realität und geltendes Recht müssen in Einklang gebracht werden.

Mit freundlichen Grüßen

Anja Braekow, 1. Vorsitzende

Anja Halder, 2. Vorsitzende

 

Zum weiterlesen haben wir hier den Link vom Spiegel eingeführt. In unseren Augen eine fatale Entscheidung.

https://www.spiegel.de/panorama/bildung/verwaltungsgerichtshof-mannheim-eltern-haben-anspruch-auf-kita-platz-auch-bei-personalmangel-a-a10f4a95-3e10-40ae-b90a-f13acaef7fd1?fbclid=IwAR0jzr8mDADgA-DTqNvnOtBSO7nuBEZ5kcfy7ZSBHXx7l40ftWm1GX42kqs