Wir treffen uns – Prof. Dr. Fröhlich-Gildhoff (03.11.2022)

Online-Treffen der Verbände mit Prof. Dr. Fröhlich-Gildhoff

 „Das Kita-System steht vor dem Kollaps“ heißt der Titel eines Brandbriefes, den mehr als 150 Wissenschaftler*innen unterzeichnet haben. Anfang November nahm sich der Initiator des Schreibens Zeit für ein Kennenlernen und den Austausch mit den Kita-Fachkräfteverbänden.

 

Wir haben Prof. Dr. Fröhlich-Gildhoff folgende Fragen gestellt:

  • Wie kam das Schreiben/die Allianz zustande? Was hat Sie zu dieser Initiative bewogen?
  • Welche Reaktionen gab es bisher auf das Schreiben von politischer Seite?
  • Wie nehmen Sie die Entwicklung der frühkindlichen Bildung bzw. der Kita-Qualität und der Rahmenbedingungen in den letzten Jahren wahr?
  • Es gibt wenige Gebiete, auf denen sich Wissenschaft und Fachpraxis so einig sind, wie bei der Frage nach kindgerechten Kita- Rahmenbedingungen. Es gibt hier niemanden, der den deutschen Kitas eine kindgerechte Qualität attestiert. Wie können sich Praxis und Wissenschaft gemeinsam für kindgerechte Bedingungen starkmachen?

Hier die Zusammenfassung des Austausches:

Herr Fröhlich- Gildhoff steht seit Jahren in engem Austausch mit der Praxis bei Fortbildungen, in der Forschung und durch die Evaluation des neuen Kita-Gesetzes, in die er involviert ist. Seit 20 Jahren weist die Wissenschaft darauf hin, dass im Sinne der Kinder Verbesserungen notwendig sind. Genauso lange heißt es bei den Verantwortlichen, dass für Verbesserungen der pädagogischen Qualität kein Geld da sei. Die Hochschulwelt ist bundesweit gut vernetzt, und so wurde gemeinsam mit 10 Kollegen das Schreiben initiiert. Die Initiative fand ein großes Echo. Fast alle namhaften Professoren und auch wissenschaftliche Mitarbeiter aus dem Bereich der frühkindlichen Bildung haben unterzeichnet. Ein paar konnten leider aus politischen Verpflichtungen heraus nicht unterschreiben. Den Unterzeichnern war wichtig, dass sich die Wissenschaft positioniert. Es gab viel Resonanz und Zustimmung aus der Praxis, von der einzelnen Erzieherin bis hin zu den Verbänden. Auch das Bundeskabinett und Ministerien auf Bundes- und Landesebene haben geantwortet. Der Brief fand großes mediales Interesse und wurde sogar in der Heute Show thematisiert (Siehe https://www.youtube.com/watch?v=vmlztxdOTDw ).

In den letzten 20 Jahren hat sich viel getan im Kita-System. Es wurde quantitativ immer weiter ausgebaut. Qualitativ gesehen, hat man den Wert der frühkindlichen Bildung erkannt und in diesem Bereich Anforderungen festgeschrieben. Die personellen und räumlichen Ressourcen, um die qualitativen Ansprüche umzusetzen, sind leider nicht angepasst worden. Große Sorgen macht Herrn Fröhlich-Gildhoff auch der Fachkräftemangel. Die Zahlen dazu sind schon seit mindestens 10 Jahren bekannt. Nun versucht man mehr Hilfskräfte einzusetzen, was zu einer Dequalifizierung führt. Die Studien zu multiprofessionellen Teams, in die nicht pädagogisch ausgebildete Kräfte eingebunden werden, sind wenig positiv. Dass nun in einigen Bundesländern Gruppengrößen weiter erhöht werden, grenzt an eine Kindeswohlgefährdung. Das ist fachlich nicht zu begründen.

Die im Schreiben genannten Erkenntnisse sind nicht neu. Es gibt keine Untersuchungen, die schlechte Fachkraft-Kind Relationen oder große Gruppen für unbedenklich halten. Wäre die Wissenschaft hier nicht einig, hätten nicht so viele namhafte Experten das Schreiben unterzeichnet.

Prof. Fröhlich-Gildhoff ist froh, dass sich Kita-Fachkräfteverbände gegründet haben. Viel zu lange haben Fachkräfte irgendwie durchgehalten und nicht über die Probleme gesprochen. Es gab und gibt in Kitas eine Art Präsentismus. In Konzepten und Projekten wird nach außen hin eine gute pädagogische Arbeit und ein hoher Bildungsanspruch präsentiert. Darüber, wie es im Kita-Alltag aussieht und welche Probleme bewältigt werden müssen, wird von den Fachkräften immer noch zu wenig gesprochen.

Es ist wichtig, dass die Fachkräfte mit Trägern und Eltern ins Gespräch gehen. Sie sollten ihre Kompetenzen und ihre Professionalität herausstellen. Was macht im Kern pädagogische Arbeit aus? Das ist eine Frage, mit der sich alle beschäftigen müssen. Die Kitas können nicht mit weiteren qualitativen Verschlechterungen zurechtkommen. Das System ist bereits überstrapaziert. Dies muss deutlich und hartnäckig mit der Politik diskutiert werden. Herr Fröhlich-Gildhoff steht hinter der Aussage, dass Zeiten gekürzt oder Gruppen geschlossen werden müssen, wenn nicht genug Personal da ist.

Das Gespräch mit Prof. Dr. Fröhlich-Gildhoff hat uns Mut gemacht. Unsere Verbände geben den Fachkräften eine öffentliche Stimme, die zunehmend Gehör findet. Es ist wichtig, dass Praxis und Wissenschaft kindgerechte Rahmenbedingungen einfordern und fachlich darlegen, welche Ressourcen für das Kita-System notwendig sind, damit Kitas den Kindern und ihrem Bildungsauftrag gerecht werden. Den Brandbrief findet Ihr unter folgendem Link: https://www.nifbe.de/images/nifbe/Aktuelles_Global/2022/Das_Kita_System_steht_vor_dem_Kollaps-Appell_der_Wissenschaft-31.8.2022.pdf

Wir freuen uns, dass Herr Fröhlich-Gildhoff weiter mit uns in Kontakt bleiben will und für Fragen und Austausch zur Verfügung steht.

Kitaverbände fordern die Scheindebatten einzustellen (01.11.2022)

Kita- Fachkräfteverbände fordern, Scheindebatten einzustellen und strukturelle Probleme im Kita-System zu beseitigen

Aus Sicht der deutschen Kita-Fachkräfteverbände ist die Debatte um ein Kita-Pflichtjahr für Vorschulkinder eine reine Scheindebatte, denn nahezu jedes Kind hat bereits eine Kita besucht, bevor es in die Schule kommt.

Bei der berechtigten Frage, warum die Leistungen der Grundschüler*innen seit Jahren schwächer werden und auf einem inakzeptablen Niveau liegen, müssen die Kitas mit in den Blick genommen werden. Wissenschaft und Fachpraxis weisen seit Jahren auf die schlechte personelle und oft auch räumliche Ausstattung unserer Kindertageseinrichtungen hin. Förderung, Bildung und bedürfnisorientierte Betreuung sind unter diesen Bedingungen nur eingeschränkt leistbar.

Die ersten Lebensjahre legen den Grundstein der Bildungsbiografie. Wenn KiTa-Kinder mehr verwahrt als gebildet und gefördert werden, gefährdet das die kindliche Entwicklung. Auch am vieldiskutierten Thema der alltagsintegrierten Sprachförderung wird das Dilemma deutlich. Spracherwerb braucht Interaktion. Nur wenn ausreichend Zeit für persönliche Zuwendung und sprachliche Begleitung vorhanden ist, entwickeln sich Aussprache, Wortschatz und Grammatik altersgerecht. Es ist selbst beim Bund unumstritten, dass die Sprachkitas ein voller Erfolg waren. Trotzdem soll das Programm eingestellt werden, anstatt zukünftig allen Kitas zusätzliche Mittel für sprachliche Förderung zur Verfügung zu stellen.

Kinder, die mit sprachlichen, motorischen, sozialen oder emotionalen Defiziten eingeschult werden, haben es nicht leicht, diese Rückstände aufzuholen.

Wir brauchen deshalb kein Kita-Pflichtjahr, sondern eine bessere Kita-Qualität. Die dafür personellen und räumlichen Mindestanforderungen liegen seit Jahren auf den Tischen oder in den Schubladen der Ministerien. Umgesetzt wurden sie bisher in keinem Bundesland.

Unsere Gesellschaft sollte sich intensiv mit der Frage beschäftigen, warum die Leistungen der Grundschüler seit Jahren schlechter werden, obwohl Kita-Kinder immer jünger und die Betreuungszeiten länger werden. Wären unsere Kitas hochwertige Bildungseinrichtungen, müssten wir gegenteilige Effekte sehen.

Wir beim Landtagsfest der Grünen Fraktion BW (25.10.2022)

Ein Bericht von unserem Vorstand- und Gründungsmitglied Bärbel Baumgärtner:

 

Heute durfte ich den Verband beim Landtagsfest der Grünen Fraktion vertreten. Es war ein lockeres Beisammensein im Foyer des Landtags bei gutem Essen und Trinken in gelöster Stimmung und diente dem gegenseitigen Kennenlernen und Austausch. Ich hatte ein längeres Gespräch mit Dorothea Wehinger und einer Vertreterin des Landeselternbeirats und der Vorsitzenden des Landesverbands der Kindertagespflege.

Ich konnte wichtige Anliegen unseres Verbands nennen und stieß auf offene Ohren und großes Interesse. Gleichzeitig war es interessant, die aktuellen Anliegen der beiden anderen Verbände zu hören. Man stellte fest: Eigentlich bräuchte es einen Kita- Gipfel, wo alle Beteiligten ihre Ideen einbringen, wie die Kitas aus der Krise kommen könnten.

Der persönliche Kontakt und die wertschätzende Atmosphäre waren sehr schön zu erleben!

PM zur geplanten „Ausnahmeregelung“ – BW will zwei Kinder mehr pro Kitagruppe zulassen (26.10.2022)

„Bildung wird in Baden-Württemberg scheinbar klein geschrieben“ kritisiert Anja Braekow 1. Vorsitzende vom Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg die Pläne der Regierung scharf.

Eine Vergrößerung der Kita-Gruppen sein ein „signifikant falsches Signal an die Kommunen und Fachkräfte. Denn es bedeutet das Betreuung über Bildung steht und das kann und darf sich unsere Gesellschaft nicht leisten“ unterstreicht sie. „Immer mehr Kinder benötigen Sprachförderung und individuelle Begleitung und Eltern brauchen immer mehr Unterstützung, die Arbeitsbelastung steigt also stetig. In dieser eh schon angespannten Situation noch mehr Kinder zu betreuen endet in einem Desaster“ mahnt Braekow an.

„Die kommunalen Spitzenverbände stellen den Rechtsanspruch auf Betreuung über das Kindeswohl und die Bildung. Hier wird ein in unseren Augen völliger falscher Weg eingeschlagen der uns mittelfristig durch eine Kündigung- und Krankheitswelle mehr Kita-Plätze kostet als bringt“ weiter führt Braekow aus “ wir brauchen dringend Entlastung in den Kitas damit nicht auch noch das verbliebene Personal abwandert. Diese würde man zeitnah und relativ kostengünstig zum Beispiel über FSJ Kräfte, Hauswirtschaftskräfte, Integrationskräfte und Verwaltungskräfte schaffen.“

Veränderungen im Vorstand (Sep 2022)

Aus privaten Gründen musste unsere bisherige 2. Vorsitzende zunächst pausieren und ist nun schweren Herzens von ihrem Posten zurück getreten.
Liebe Angela Becker,  wir wünschen Dir viel Kraft für die nächste Zeit und freuen uns, wenn Du bald wieder (vielleicht auch im Vorstand) aktiv dabei sein kannst.
In der letzten Vorstandssitzung haben wir Anja Halder vom 3. Vorstand auf den 2. Vorstand gewählt. Vielen Dank für Deinen Einsatz und dass Du dies möglich machen kannst.
Der 3. Vorstand bleibt nun bis zu unseren Wahlen im Frühjahr 2023 vakant. Hier rufen wir Mitglieder aus dem Kreis Stuttgart auf. Es werden nun immer wieder Präsens Sitzungen sein und Anja und ich sind räumlich zu weit weg.
Auf unserer Homepage könnt ihr unseren aktuellen Vorstand kennenlernen.
Inzwischen haben wir auch ein Team, dass den Vorstand in den AG´s und bei der Öffentlichkeitsarbeit unterstützt. Da wir die Homepage gerade überarbeiten, wird sich das Team danach vorstellen.
Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.

Die Kita-Fachkräfteverbände schreiben an Frau Schwelling (19.09.2022)

In den letzten zwei Jahren haben sich bundesweit 10 Kita-Fachkräfte Verbände gebildet. Gemeinsam haben wir einen Brief an Frau Schwelling, Landesvorsitzende der Grünen verfasst. Es ist uns wichtig, dass wir gemeinsam auf Probleme und Missstände hinweisen.

Hier kannst Du den kompletten Brief lesen:

Sehr geehrte Frau Schwelling,

Sie sprechen öffentlich davon, dass größere Kita-Gruppen kein Weltuntergang seien. Jedes
Kind muss einen Betreuungsplatz erhalten, das sei oberste Priorität. Dafür müssten eben
noch mehr Kinder mit schlechteren Standards betreut werden.

Bitte setzen Sie sich mit dem gesetzlichen Auftrag der Kitas, der als Bundesgesetz
deutschlandweit festgeschrieben wurde, auseinander. Im SGBVIII Abschnitt 3 §§ 22-26 ist
unmissverständlich geregelt, dass das Recht auf Betreuung nicht über dem Recht auf Bildung
und Förderung steht, sondern dass es sich hier um einen Dreiklang handelt. Wer das Thema
Kindeswohl und Kinderrechte ernst nimmt, kann keine Betreuung um jeden Preis fordern.
Ihre Partei verfolgt das Ziel, die Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen. Das passt nicht
zu Ihrer Haltung, die Qualität der Bildung und Förderung weiter zu verschlechtern, um alle
Kinder irgendwie unterzubekommen.

Die rote Linie, bei allem, was wir in der Kita tun, verläuft beim Thema Kindeswohl.
Aufsichts- und Fürsorgepflicht haben Kita-Fachkräfte unter allen Umständen zu
gewährleisten. Kindeswohlgefährdungen beginnen nicht erst mit Hämatomen, blutenden
Wunden und körperlicher Verwahrlosung.

Aktuell haben mehr als 150 Wissenschaftler*innen (auch aus Baden- Württemberg), die zum
Who is who der Frühpädagogik und Sozialwissenschaften gehören, einen Brandbrief
unterzeichnet.

Sie zeigen drastisch auf, wie schlecht es um die Betreuungsqualität in den Kitas bestellt ist
und wie wenig kindgerecht die Rahmenbedingungen sind. Sie schlagen außerdem konkrete
Maßnahmen vor, wie in der aktuellen Situation politisch gehandelt werden müsste.
Erhöhung der Gruppenstärken gehört nicht zu den Vorschlägen.

In den letzten beiden Jahren haben sich in 10 Bundesländern Kita-Fachkräfteverbände
gegründet, die 12 Bundesländer vertreten. Die Mitglieder kommen aus der Praxis und
engagieren sich neben ihrer Arbeit in der Kita für kindgerechte Rahmenbedingungen. Dass
verschiedene Bundesländer nun die bereits unzureichende pädagogische Qualität weiter
aufweichen wollen, erfüllt uns mit großer Sorge. Deshalb haben sich unsere Verbände für
einen gemeinsamen Brief an Sie entschieden, den wir auf unseren online-Seiten
veröffentlichen werden. Wir brauchen eine gesamtgesellschaftliche Diskussion darüber, wie
weit der reale Kita-Alltag von kindgerechten Bedingungen entfernt ist.

Der Kita-Fachkräfteverband Baden-Württemberg ist gerne bereit, mit Ihnen über den KitaAlltag in den Einrichtungen zu sprechen und kann ihnen Hospitationsmöglichkeiten
vermitteln.

Sie können über folgende Fragen mit Kita-Fachkräften ins Gespräch gehen:

  • Werden Sie im Alltag den grundlegenden Bedürfnissen der Kinder gerecht? (bekommen
    Kinder, die dies brauchen, ausreichend Begleitung oder Assistenz beim Essen, Schlafen
    und Toilettengang, kann jedes Kind nach Bedarf jederzeit gewickelt werden?)
  • Wie beurteilen Sie die räumliche Situation? Wie laut und eng ist es im Alltag? Haben Sie
    genügend Räumlichkeiten, damit es Kindern jederzeit möglich ist, sich zurückziehen, in
    kleinen Gruppen spielen oder sich ausgiebig zu bewegen?
  • Können Sie ihre Aufsichtspflicht in allen Betreuungssituationen gewährleisten?
    Haben Sie ausreichend Zeit, sich einzelnen Kindern zuzuwenden, Streit zu schlichten
    oder Trost zu spenden?
  • Wie oft können Sie Ideen und Fragen der Kinder aufgreifen, um daraus mit ihnen in
    Kleingruppen spannende Projekte zu entwickeln?
  • Bleibt genug Zeit, um Kinder intensiv zu beobachten, Entwicklung zu dokumentieren und
    Entwicklungsgespräche vorzubereiten und durchzuführen?
  • Können Sie Kinder sprachlich intensiv begleiten, besonders Kinder mit nicht-deutschem
    sprachlichem Hintergrund?
  • Werden Sie Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten gerecht und können Ihnen die
    notwendige pädagogische Begleitung geben?
  • Wie gelingt inklusives Arbeiten unter den aktuellen Rahmenbedingungen?
  • Welche Rahmenbedingungen sind für Sie Grundvoraussetzung für einen kindgerechten
    Kita-Alltag?

Diese Fragen sind lediglich als Anregung gedacht und erheben keinen Anspruch auf
Vollständigkeit. Die Kita-Fachkräfteverbände haben Vorschläge und konstruktive Lösungen
erarbeitet, was in der angespannten Situation getan werden kann und welche Maßnahmen
mittel -und langfristig getroffen werden müssen, um unseren Kindern einen kindgerechten
Alltag zu gewährleisten.

Nutzen Sie die Expertise der täglichen Praxis, stellen Sie Fragen und suchen Sie gemeinsam
mit den Kita-Fachkräften nach Antworten und Lösungen!
Kitas sind keine Aufbewahrungslager, in denen lediglich noch ein paar zusätzliche
Regalmeter geschaffen werden müssen, damit alles unter ist. Sobald das körperliche, geistige
und seelische Wohl der Kinder nicht mehr vollumfänglich gewährleistet ist, kann man von
aus pädagogischer Sicht durchaus von einem Weltuntergang sprechen. Die Welt der der
Chancengleichheit, der frühkindlichen Bildung, der Möglichkeiten, sich zu entwickeln und
zu entfalten ist massiv bedroht, wenn Betreuung um jeden Preis zum obersten politischen
Ziel wird.

E I N E K O O P E R A T I O N D E R K I T A – F A C H K R Ä F T E V E R B Ä N D E I N D E U T S C H L A N D
Mit freundlichen Grüßen,
im Auftrag der Kita-Fachkräfteverbände in Deutschland

Hier der Brief zum runterladen:

Brief an Frau Schwelling (Vebände)

 

Antwortschreiben von Frau Schwelling – Landesvorsitzende der Grünen (15.09.2022)

Nach einen Tag haben wir bereits eine Rückantwort erhalten, vielen Dank dafür.
Wir laden Frau Schwelling zu einem Videomeeting ein.
Hier das Antwortschreiben:
Sehr geehrte Frau Braekow,
vielen Dank für das Engagement Ihres Verbandes und Ihre Nachricht, die ich gerne versuche, zu beantworten. Die von Ihnen formulierten Ziele teile ich uneingeschränkt und würde mir von ganzem herzen wünschen, dass wir sie schnellstmöglich erreichen.
Sie sind wütend und ich kann Ihnen nichts anderes sagen als: völlig zu Recht!
Seit Jahren schon wird der Fachkräftemangel in den Careberufen beklagt, ebenso wie die Belastungen, denen die Menschen ausgesetzt sind, die beispielsweise in der Pflege oder der Kinderbetreuung arbeiten. In der Pandemie hat sich die Situation noch zusätzlich verschärft und die bislang darauf gefunden Antworten sind zweifellos nicht ausreichend, das spüren Sie und die Menschen, die Ihr Verband vertritt, jeden Tag.
Nun erleben wir zusätzlich zu Pandemie und Klimakrise mit ihren Auswirkungen auch noch die drastischen Folgen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine. Noch nie zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg sind so viele Menschen zu uns geflohen vor Bomben, Tod und Zerstörung. Und diejenigen, die zu uns kommen sind meist Frauen, alte Menschen und zu mehr als einem Drittel auch Kinder und Jugendliche. Wir wollen sie selbstverständlich bestmöglich bei uns aufnehmen und wissen, dass ein Platz in Kita oder Schulen für eine gelungene Integration unverzichtbar ist.
Diese Situation trifft uns gleichzeitig mit der Einführung des Rechtsanspruchs auf Betreuung in den Grundschulen, der nun schrittweise kommt und der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung oder der Kindertagespflege für Kinder ab dem ersten Lebensjahr besteht ebenfalls.
Dies stellt die Kommunen und anderen Träger vor enorme Herausforderungen, denn in Baden-Württemberg fehlen uns die notwendigen Fachkräfte, um all diese Ansprüche zu erfüllen und allen Kindern einen Betreuungsplatz anzubieten.
Es braucht daher ein Bündel an Maßnahmen, um den Familien, den Erzieher*innen und auch den Kommunen gerecht zu werden und ja, dazu zählt kurzfristig auch die zeitlich befristete Abweichung vom Mindestpersonalschlüssel und der Höchstgruppenstärke, die die Landesregierung jetzt wieder einführen wird.
Wir müssen kurzfristig pragamatische Lösungen finden als Politik, das ist unser Job und ich weiß sehrwohl, dass das Ihren Job schwerer macht und dafür kann ich mir nur bei Ihnen entschuldigen.
Wir geben den Kommunen und Träger der Kindertageseinrichtungen mit der neuen Regelung ein Instrument an die Hand, um flexibel auf die vor Ort sehr unterschiedlichen Bedarfe und Möglichkeiten einzugehen und Eltern im Einzelfall einen dringend benötigen Betreuungsplatz anzubieten. Als Kommunalpolitikerin kann ich Ihnen versprechen, dass wir dabei einrichtungsindividuell die personellen und räumlichen Ressourcen berücksichtigen, denn wir wollen selbstverständlich das Beste für die Kinder ebenso wie für die Erzieherinnen und Erzieher.
Weitere Maßnahmen, die wir in dieser schwierigen Situation ebenfalls in Erwägung ziehen sollten betreffen die Nutzung zusätzlicher Räumlichkeiten und vor allem der Gewinnung von mehr Personal, bspw. über Direkteinstiegsprogramme oder die Entlastung der pädagogischen Fachkräfte von nicht-pädagogischen Aufgaben, wie beispielsweise administrativen oder hauswirtschaftliche Tätigkeiten.
Wir werden alle Register ziehen müssen, um die Krisen zu bewältigen, die wir derzeit erleben und das bedeutet eben auch, dass wir alle Abstriche werden machen müssen von dem, was eigentlich richtig wäre. Anders lässt sich aus meiner Sicht kurzfristig keine Lösung finden für eine Situation in der zu viele anspruchsberechtigte Kinder auf zu wenig Betreuungsplätze treffen.
Ihre berechtigte Wut und Enttäuschung kann ich damit sicher nicht lindern und es tut mir wirklich leid, dass der Beruf, den Sie aus Leidenschaft und Begeisterung ergriffen haben, Ihnen im Moment so schwer gemacht wird. Ich kann mich dafür nur im Namen der Politik, die hier viel versäumt hat, bei Ihnen entschuldigen.
Ihr Angebot, mir selbst ein Bild der Situation zu machen und mit Ihnen zu sprechen, nehme ich gerne an und freue mich, wenn Sie sich bei mir melden, damit wir die Details klären können.
Ich wünsche Ihnen und Ihrem Verband trotz aller Herausforderungen und Schwierigkeiten von ganzem Herzen das Beste und werde tun, was in meiner Macht steht, um mittel- und langfristig eine andere Lösung zu finden.
Mit den besten Grüßen
Lena Schwelling