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Wir schreiben Herrn Broß und Herrn Lachat vom Städtetag (27.03.2023)
Sehr geehrter Herr Lachat,
sehr geehrter Herr Broß,
in den letzten drei Jahren ist die pädagogische Arbeit in den Kitas zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Dies ist sicherlich auch der aktuellen Lage um den Fachkräftemangel geschuldet. Als Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg verfolgen wir die aktuellen Entwicklungen und bringen kontinuierlich unsere Praxisexpertise ein.
In diesem Zusammenhang wenden wir uns heute zum Thema „Zukunftsparagraf“ an Sie.
Grundsätzlich begrüßen wir den Vorstoß des Städtetages, den Kommunen mehr Gestaltungsspielraum beim Einsatz von Personal in den Kitas einzuräumen. Wir als Berufsverband sind ebenfalls der Meinung, dass es Zeit ist, neue Wege zu gehen, Lösungsansätze zu suchen und die Situation vor Ort in den Kindertageseinrichtungen grundlegend zu verbessern.
Multiprofessionelle Teams sind ein Ansatz, der in die richtige Richtung gehen kann. Jedoch kann die Lösung für dieses bundesweite Problem nicht sein, auf unqualifiziertes fachfremdes Personal zu setzen und dieses auf den zu knapp bemessenen und nicht mehr zeitgemäßen Personalschlüssel anzurechnen. Eine Fachkraft pro Einrichtung ist nicht nur ungenügend, sondern grob fahrlässig. Auch die Erhöhung der Kinderanzahl pro Gruppe oder eine Randzeitenbetreuung durch Nicht-Fachkräfte können nicht die Patentlösungen sein.
Laut Ihnen, Herr Lachat, steht „das Wohl, der Schutz und die Sicherheit der Kinder (…) weiterhin ganz oben, hier wird es keinerlei Abstriche geben“. In oben genanntem Kontext ist dies definitiv nicht mehr zu leisten. Dieser Vorschlag führt unserer Meinung nach zu noch mehr Kündigungen durch das bestehende pädagogische Fachpersonal. Zum einen, weil die Fachkräfte sich in ihrer Professionalität abgewertet fühlen und zum anderen, weil sie befürchten, zusätzliche Arbeit im Bereich Bildung und Erziehung zu bekommen, wenn sie unqualifiziertes Personal anlernen und im Alltag begleiten müssen. Eine Nachqualifizierung mit „Schulungen“ ersetzt in keiner Weise hoch professionell ausgebildetes pädagogisches Fachpersonal.
Mit Sorge nehmen wir wahr, dass die Umsetzung des Baden-Württembergischen Orientierungsplans durch den Zukunftsparagrafen flexibel gehandhabt werden soll. Nicht nur, dass in die Überarbeitung und Anpassung sehr viel Geld investiert wurde. Der Orientierungsplan sichert auch die Qualität im Bereich Bildung und Erziehung und ist unsere Arbeitsgrundlage. Wenn hier Abstriche gemacht werden, bricht ein wichtiger Teil des gesetzlichen Auftrags weg, nämlich einen Dreiklang aus Bildung, Erziehung und Betreuung zu schaffen – eine Schieflage hin zu Betreuung um jeden Preis lehnen wir im Hinblick auf die Wichtigkeit frühkindlicher Bildung ab. Zudem sind der Bildungsauftrag und die Möglichkeit, Kinder in ihrer Entwicklung zu begleiten, ein wichtiger Grund, weshalb Menschen einen pädagogischen Beruf ergreifen. Wenn diese Arbeit, egal aus welchen Gründen, nicht mehr geleistet werden kann, steigt die Personalfluktuation.
Um den Kindern den bestmöglichen Start zu ermöglichen, reicht es nicht aus, das kleinere Übel zu wählen und Kitas mit einer Experimentierklausel zu Experimentierstätten zu machen. Wenn für Sie tatsächlich immer das Kindeswohl und frühkindliche Bildung an erster Stelle steht, ist es an der Zeit, die Situation zu entlasten, statt zu verschärfen. Dies wiederum würde mehr pädagogische Fachkräfte sowie zusätzliches Personal bedeuten, statt Personal zu ersetzen.
Wir brauchen Lösungen, um das bestehende Personal zu halten, und den Beruf durch verbesserte Rahmenbedingungen wieder attraktiv zu machen.
Dies kann unserer Meinung nach am besten durch einen echten Dialog gelingen.
Gerne möchten wir als Berufsverband mit Ihnen allen gemeinsam zu diesen wichtigen und zukunftsweisenden Themen ins Gespräch kommen. Wir bieten Ihnen hiermit sehr gerne unsere Mitarbeit an, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Ein erster Schritt wäre eine ehrliche Ist-Stand-Erhebung, bei der wir selbstverständlich unsere Praxisexpertise einbringen würden.
Zudem fordern wir mit unseren Schwesternverbänden aus ganz Deutschland einen „Kita-Gipfel“, der sich bundesweit damit beschäftigt, wie Lösungen aussehen können. Denn allen ist klar, dass weder Land noch Kommunen oder Träger die dringend notwendigen Veränderungen alleine stemmen können. Der Dreiklang aus Bildung, Erziehung und Betreuung kann funktionieren und wir sind gerne bereit, unseren fachlichen Beitrag dazu zu leisten.
Mit freundlichen Grüßen
Anja Braekow
1. Vorsitzende
Pressemitteilung zum Vorschlag des Städtetags bezüglich eines Zukunftsparagrafen (27.03.2023)
Der Vorschlag, einen Zukunftsparagrafen einzuführen, stammt aus der Feder des Städtetags und befasst sich im Kern mit dem Gedanken, den Kommunen im Hinblick auf den Personalmangel in den Kitas mehr Gestaltungsfreiraum zu ermöglichen. Uns als Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg stellt sich hier aber die Frage, ob auch alle Kommunen bereit und in der Lage sind, diesen Handlungsspielraum im Sinne einer qualitativ hochwertigen frühkindlichen Bildung zu erfüllen. Stehen das Wohl und der Schutz der Kinder wirklich immer an erster Stelle?
Wie in der Pressemitteilung vom 17.03.2023 hingewiesen, birgt dieser Zukunftsparagraf mehr Gefahren als Chancen für die pädagogischen Fachkräfte als auch für die zu betreuenden Kinder. Mehr unqualifiziertes Personal zu beschäftigen ist keinesfalls eine Aufwertung der frühkindlichen institutionellen Bildung, sondern signalisiert, dass Kinderbetreuung jeder kann. Eine Schulung reicht vielleicht aus, um mit fachfremdem Personal als Zusatzkräfte den Alltag zu bewältigen, aber nicht, um sie als Ersatz für gelernte Fachkräfte einzusetzen. „Die Komplexität und die fachlichen Kompetenzen von pädagogischen Fachkräften werden abgewertet, wenn ungelernte Zusatzkräfte mit Schulungen auf den Personalschlüssel angerechnet werden sollen. Diese können niemals dieselbe Arbeit leisten wie voll ausgebildete Fachkräfte“, so Anja Braekow vom Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg. Diese Zusatzkräfte müssen in der Praxis angelernt werden. Hierfür benötigt es entsprechend Zeit und Fachpersonal, um eine gute Praxisintegration sicherzustellen.
„Qualifiziertes Fachpersonal durch unqualifiziertes Personal zu ersetzen, heißt nicht nur mehr Abstriche in der Bildung zu machen, sondern auch, sich auf rechtlich dünnes Eis zu begeben“ führt Braekow aus. Gerade in Kitas ist die Wahrung der Aufsichtspflicht, der Kinderschutz, der Umgang mit Schutzbefohlenen und der Unfallverhütung ein wichtiger Aspekt. Zudem muss dem rechtlichen Anspruch eines Dreiklangs zwischen Betreuung, Bildung und Erziehung Rechnung getragen werden.
„Es müssen tragbare Lösungen gefunden werden, unter denen die Qualität nicht leidet. Das der Städtetag nun aktiv wird und nach Lösungen sucht, ist nachvollziehbar, wurde die Situation doch schon viel zu lange nur beobachtet. Der Druck auf einzelne Kommunen ist durch Klagen von betroffenen Familien enorm gestiegen. Aber die Lösung kann nicht sein, wie im Vorstoß des Städtetags gefordert, die Rahmenbedingungen zu flexibilisieren“, erörtert Braekow die Situation. „Standards zu senken und das Landesrecht zu lockern geht immer zulasten der Qualität. Diese Lösung ist in unseren Augen zu kurz gedacht. Es ist vielleicht im Moment die kostengünstigste Lösung, aber längerfristig wird auch diese viele Gelder verschlingen, die es angeblich nicht gibt“, führt sie weiter aus.
„Wenn, wie vom Städtetag behauptet, tatsächlich immer das Kindeswohl und frühkindliche Bildung hohe Priorität haben, ist es nun an der Zeit, die Situation zu entlasten, statt zu verschärfen. Für uns als Verband stellt sich hier auch die Frage, was mit den Zusatzkräften und den gesenkten Standards passiert, wenn sich die Situation in den Kitas wieder stabilisiert“, gibt Braekow zu bedenken.
„Wir fordern ein Zukunftsforum, einen Kita-Gipfel, bei dem sich die Verantwortlichen aus Politik, Spitzenverbänden, Berufsverbänden, Gewerkschaften und Eltern gemeinsam um tragfähige Lösungen bemühen. Es gilt, die losen Enden einzelner Lösungsansätze zu bündeln und ein Paket für die Zukunft der Kitas und pädagogischen Fachkräfte zu schnüren“, fordert Anja Braekow.
„Als mögliche Finanzierung könne die angestrebte Wahlrechtsreform dienen. Diese wird Milliarden freisetzen und birgt die Chance, endlich in die Zukunft unserer Kinder und in bessere Arbeits- und Rahmenbedingungen für das pädagogische Fachpersonal zu investieren. Das wäre in unseren Augen ein erster Schritt in die richtige Richtung“, regt Anja Braekow vom Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg an.
Pressemitteilung zum Vorschlag des Städtetags Baden-Württemberg Senior*innen und anderes Personal in Kitas einzusetzen (17.03.2023)
Die Misere in der Kitalandschaft ist mittlerweile keine Neuigkeit mehr. Auch das ehemalige Musterland Baden-Württemberg schafft den Spagat zwischen Bildung und Betreuung, Realität und Wunsch schon lange nicht mehr. Was allerdings neu ist, sind die vielen Akteure und Lösungssucher, die sich aktuell mit diesem Thema beschäftigen. Als pädagogische Fachkraft könnte man sich wundern: “Warum erst jetzt? ”. Doch wenn man die aktuelle Entwicklung beobachtet, dann erkennt man, warum. Es hagelt Klagen von Eltern, der Aufschrei der Arbeitgeber ist groß, da ihnen aufgrund von Kitaschließungen das Personal fehlt. Die Medien berichten immer mehr von den Missständen. Doch nicht alle Ideen tragen zu guten Lösungen bei.
Jüngst machte sich der Städtetag Gedanken zur Situation und fordert vom Land mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Doch sind auch alle Kommunen bereit und in der Lage, diesen Handlungsspielraum im Sinne einer qualitativ hochwertigen frühkindlichen Bildung zu erfüllen? Stehen das Wohl und der Schutz der Kinder wirklich immer an erster Stelle? Wenn dem so wäre, dann fragt man sich, wie diese Situation überhaupt zustande kam?
“Die Kitawelt muss sich grundlegend ändern”, äußert sich Anja Braekow Vorstandsmitglied im Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg.
Mittlerweile werden immer häufiger Betreuungszeiten gekürzt oder Notgruppen eingerichtet, da pädagogisches Fachpersonal krank und erschöpft wegbricht oder ganze Stellen unbesetzt bleiben. „Die Lösung für dieses bundesweite Problem kann aber nicht sein, auf unqualifiziertes fachfremdes Personal zu setzen und diese dann auch noch auf den sowieso schon knapp bemessenen und nicht mehr zeitgemäßen Personalschlüssel anzurechnen“, führt Braekow aus. „Es würde allerdings schon eine Entlastung bringen zusätzliches Personal im Hauswirtschaftsbereich und der Verwaltung einzusetzen“, unterstützt Heide Pöschel, ebenfalls Vorstandsmitglied, Braekows Forderung.
Mit einer optimalen Schulung könnten Zusatzkräfte eine gewinnbringende Bereicherung sein und in der Verwaltung sowie Hauswirtschaft entlasten. Auch bei alltäglichen Angeboten wie Vorlesen oder Brettspiele spielen können solche Kräfte eine Unterstützung darstellen, aber niemals dürfen sie aus entwicklungspsychologischer und neurobiologischer Sicht als Ersatz von pädagogischen Fachkräften eingesetzt werden.
„Kitas sind für viele Kinder oft die erste Einrichtung, in der sie außerfamiliär betreut werden. Hier wird der Grundstein der institutionellen Bildung gelegt. In Kitas werden individuelle Bildungsentwicklungen und das soziale Miteinander der Kinder begleitet, Eltern werden unterstützt und es wird mit weiteren Kooperationspartnern gearbeitet. Dies kann nur mit einer qualitativhochwertigen Ausbildung geleistet werden“, stellt Braekow vom Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg die Situation dar. Um den Kindern den bestmöglichen Start zu ermöglichen, reicht es nicht aus, das kleinere Übel zu wählen und Kitas mit einer Experimentierklausel zu Experimentierstätten zu machen. „Es kommt nun darauf an, welche Maßnahmen wie und wann genau umgesetzt werden sollen. Wenn, wie vom Städtetag behauptet, tatsächlich immer das Kindeswohl und frühkindliche Bildung hohe Priorität haben, ist es nun an der Zeit, die Situation zu entlasten, statt zu verschärfen. Dies wiederum würde mehr Personal bedeuten, statt Personal zu ersetzen, durch engagierte Senior*innen. In den letzten Jahren haben wir zu oft erlebt, dass ein einmal gesenkter Standard nicht mehr angehoben wird“, führt Pöschel weiter aus und unterstreicht die Anliegen des Verbands.
„Qualifiziertes Fachpersonal durch unqualifiziertes Personal zu ersetzen, heißt nicht nur noch mehr Abstriche in der Bildung zu machen, sondern auch, sich auf rechtlich dünnes Eis zu begeben. Wer trägt die Konsequenzen, wenn ein Unfall passiert? Sind pädagogische Fachkräfte gewillt, unter diesen Umständen zu arbeiten oder wird die Fluktuation dadurch noch verstärkt? Wie soll in einer solchen Situation Bildungsgerechtigkeit realisiert werden? Kann Kinderschutz so überhaupt noch funktionieren? All dies sind Fragen und Ängste unserer Mitglieder“, schildert Braekow die Situation.
„Wie sich alles entwickelt, ist nun noch unklarer als bisher. Das laugt aus und erschöpft. Viele pädagogische Fachkräfte können bereits nicht mehr, also muss alles unternommen werden, um ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern, denn ohne gute Kitas fehlt den Kindern der Grundstein einer guten Bildungsbiografie und spätestens in der Schule und dem Berufsleben brauchen wir leistungsstarke, resiliente und lernbereite Charaktere für die Zukunft unseres Landes“, plädiert Anja Braekow vom Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg.
Wir schreiben an den Präsidenten des Gemeindestages, Herr Steffen Jäger (07.03.2023)
Auf diesen Brief erhielten wir Antwort von Frau Bettina Stäb, Leitung Stabstelle Frühkindliche Bildung und Soziales, Gemeindetag Baden-Württemberg. Sie bedankte sich für den Brief und wies darauf hin, dass diese Anliegen beim Kultusministerium platziert werden müssen, da dort die Zuständigkeit liegt. Wir bleiben dran!
Wir schreiben an Herrn Ministerpräsident Kretschmann (07.03.2023)
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann,
der Beitrag in SWR Aktuell vom 17.02.2023 über die Zunahme der Gerichtsverfahren wegen des Rechtsanspruchs auf einen Kita Platz in Baden-Württemberg veranlasst uns dazu, Ihnen zu schreiben.
Wir als Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg weisen seit geraumer Zeit darauf hin, dass die Lage in den Kindertagesstätten im Land besorgniserregend ist. Die Diskrepanz zwischen dem gesetzlichen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem 1. Lebensjahr und der Realität ist groß und folge dessen in den letzten Monaten immer weiter ins Blickfeld der Öffentlichkeit gelangt. Es ist gut, dass die Problematik diskutiert wird.
Mit Sorge nehmen wir jedoch Ihre Äußerung wahr, die Städte und Gemeinden dazu aufruft, zwischen Quantität und Qualität der Betreuung abzuwägen. Ein Entweder / Oder widerspricht klar dem gesetzlichen Auftrag aus VIII Sozialgesetzbuch, dem KiTAG und nicht zuletzt dem Orientierungsplan.
Die Landesregierung hat in den letzten Jahren viel dafür getan, die Qualität in den Kindertagesstätten stetig auszubauen. Die Überarbeitung und Anpassung des Orientierungsplans ist dabei ein großer Baustein. Wir begrüßen es sehr, dass Themen wie Nachhaltigkeit, Inklusion, Sprachförderung und die Zusammenarbeit mit den Sorgeberechtigten intensiv in den Blick genommen und Ziele hierfür im aktuell in Überarbeitung befindlichen Orientierungsplan formuliert werden sollen. Durch den akuten Kita-Platzmangel entfernt sich die aktuelle Diskussion leider immer mehr von der Qualität und der Ausbau der Kita-Plätze steht stark im Fokus. Diese Entwicklung nehmen wir mit Sorge wahr. Kitas müssen immer unter dem Aspekt der frühkindlichen Bildung gesehen werden und nicht als Aufbewahrungsstätte für Kinder, damit deren Eltern dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Unsere Kinder haben nichts anderes verdient als das Beste, dass wir ihnen geben können: gut ausgebildete pädagogische Fachkräfte die Zeit haben und ihnen zugewandt sind. Dies benötigt selbstverständlich entsprechende personelle Ressourcen.
Jedoch reicht eine Werbekampagne wie die aktuelle „Mehr bekommst du nirgendwo“ und der „Pakt für gute Bildung und Betreuung“ unserer Meinung nach nicht aus. Was fehlt ist ein grundlegender Maßnahmenkatalog, der ernsthaft die Rahmenbedingungen verändert, um Lösungen zu finden, die nicht in einer Vielzahl von Maßnahmen verpuffen.
Wir wünschen uns, dass unser gesetzlicher Auftrag aus Bildung, Erziehung und Betreuung wieder zu einem Dreiklang wird, bei dem die Gewichtung gleichmäßig verteilt ist.
Im Beitrag des SWR geht es um die vermehrten Klagen von Eltern, die einen Betreuungsplatz für Ihre Kinder einfordern. Ihre Aussage, dass es Aufgabe der Kommunen sei, eine Lösung für die fehlenden Betreuungsplätze zu finden, ist in unseren Augen zu kurz gedacht. Um aus diesem Dilemma langfristig ein tragfähiges Konzept werden zu lassen, müssen alle Beteiligten an einem Strang ziehen. Dazu gehören neben den Kommunen auch die Landesregierung, die pädagogischen Fachkräfte aus den Kitas und Arbeitgeber.
Dabei darf der Rechtsanspruch nicht über dem Kindeswohl stehen. Quantität in der jetzigen Lage geht eng einher mit der Tatsache, dass die Umsetzung von Gewaltschutzkonzepten und die Wahrung der Aufsichtspflicht nicht mehr gewährleistet werden können. Diese Situation spitzt sich immer weiter zu und führt zu weiteren Fluktuationen des Personals, da wir im Bereich der Kitas auf einen eh schon sehr angespannten Arbeitsmarkt treffen.
Die Not berufstätiger Eltern und der Druck der Arbeitgeber aus allen Bereichen ist groß. Fehlende Fachkräfte, die ihre Kinder zuhause betreuen müssen, sind Teil einer Spirale, die jetzt durchbrochen werden muss. Wenn die Qualität der frühkindlichen Bildung zugunsten einer Betreuung um jeden Preis an Bedeutung verliert, entsteht ein weiteres Problem. Zusätzlich zu den Familien, die keinen Kitaplatz haben kommen die Eltern, die sich mit sinkender Qualität in der frühkindlichen Bildung nicht abfinden wollen, und daher ihre Kinder lieber selber zuhause betreuen. Diese Fachkräfte fehlen dann wieder an anderer Stelle auf dem Arbeitsmarkt.
Daher muss einerseits über bessere Rahmenbedingungen gesprochen werden, andererseits aber auch über neue Arbeitszeitmodelle, familienfreundliche Unternehmenskultur, mögliche veränderte Formen der Kinderbetreuung und der Finanzierung all dieser und weiterer Maßnahmen. Entlastungsmaßnahmen für das vorhandene pädagogische Personal durch Verwaltungs- und Hauswirtschaftskräfte, und ein Programm für notwendige Sanierungsarbeiten im Bereich Lärmschutz seien hier stellvertretend für verbesserte Arbeitsbedingungen in den Kindertagesstätten genannt. Gerne schildern wir in einem persönlichen Gespräch die Hürden und Bedürfnisse, die unsere Mitglieder tagtäglich an uns herantragen, und die sie zu den Überlegungen führen, dem Arbeitsplatz Kita den Rücken zu kehren.
Ein schnelles Quereinsteigerprogramm oder die Vergrößerung der Gruppenstärke wird weder den Betreuungsbedarf der Eltern auffangen können, noch zu attraktiveren Arbeitsplätzen führen. Bei allen Quereinsteiger- und Nachqualifizierungsmaßnahmen muss der Fokus auf die individuelle Eignung und eine qualitativ hochwertige fachliche Schulung gelegt werden. Zudem muss geschaut werden, welche pädagogischen Fachkräfte wieder für diesen Bereich gewonnen werden können, zum Beispiel nach der Elternzeit oder einem Wechsel in andere Arbeitsbereiche.
Fachkräfte im Beruf zu halten und Neue dazu zu gewinnen kann gelingen, wenn alle Beteiligten gemeinsam Verantwortung übernehmen und tragbare Lösungen finden.
Wir müssen an den Punkt kommen, dass Kitas in den Kommunen nicht nur als Kostenfaktor gesehen werden, sondern als Zukunftspotenzial. Denn wenn in Kitas qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung stattfinden kann, so wie es der Orientierungsplan vorsieht und es die pädagogischen Fachkräfte leisten können, werden Kommunen heute schon attraktiv für junge Familien die sich dort niederlassen, arbeiten, Steuern zahlen und so weiter. Auch die soziale Kluft wird geringer, es gibt weniger Schulabbrecher und dem Arbeitsmarkt von morgen stehen resiliente und lernfähige junge Menschen zur Verfügung.
Gerne möchten wir als Berufsverband mit Ihnen allen gemeinsam zu diesen wichtigen und zukunftsweisenden Themen ins Gespräch kommen und bieten Ihnen hiermit sehr gerne unsere Mitarbeit in diversen Gremien an, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Ein erster Schritt wäre eine ehrliche Ist-Stand Erhebung bei der wir selbstverständlich unsere Praxisexpertise einbringen würden.
Zudem fordern wir mit unseren Schwesternverbänden aus ganz Deutschland einen „Kita-Gipfel“, der sich bundesweit damit beschäftigt, wie Lösungen aussehen könnten. Denn allen ist klar, dass weder Land noch Kommunen oder Träger die dringend notwendigen Veränderungen alleine stemmen können. Der Dreiklang aus Bildung, Erziehung und Betreuung kann funktionieren, und wir sind gerne bereit, unseren fachlichen Beitrag dazu zu leisten.
Wir freuen uns, von Ihnen zu hören.
Mit freundlichen Grüßen
Anja Braekow
Edit: Wir haben nur wenige Tage nach dem Brief eine Antwort erhalten. Die persönliche Referentin von Herrn Kretschmann hat sich erkundigt über uns und wusste, dass wir uns am 13.03.2023 mit Herrn Staatssekretär Schebesta treffen.
Wir schreiben an Frau Schopper – Kultusministerin ( 06.02.2023)
Sehr geehrte Frau Schopper,
in den letzten beiden Jahren ist die pädagogische Arbeit in den Kitas zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Dies ist sicherlich der aktuellen Lage, sei es dem Fachkräftemangel oder auch der derzeitigen Diskussion um Gewalt in Kitas geschuldet. Als Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg verfolgen wir die Entwicklung interessiert und bringen kontinuierlich unsere Praxisexpertise ein.
Seit unserer Gründung im Januar 2021 sind wir ein stetig wachsender und aktiver, ehrenamtlich geführter Verband.
Gemeinsam mit Eltern, Trägern und Interessierten machen wir uns auf den Weg, um die Bedingungen in den Kitas Baden-Württembergs bedeutend zu verbessern. Wir wollen, dass Kitas zu einem Ort werden an welchem Kinder, Eltern und Pädagogen gemeinsam wachsen, leben und sich weiterentwickeln können.
Als Berufsverband haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, kontinuierlich auf die Themen und Probleme in den Kitas in Baden-Württemberg aufmerksam zu machen. In diesem Zuge sind bereits gut Kontakte zu Politiker*innen entstanden, doch wünschen wir uns, unsere Praxisexpertise in der politischen Diskussion wie beispielsweise bei den „Runden Tischen“ im Kultusministerium bereits vor Entscheidungen mehr einbringen zu können.
Der Idee eines Kita-Gipfels stehen wir aufgeschlossen gegenüber und würden als Vertretung Fachpraxis bei einem solchen einbringen. Die Verantwortung zur Initiierung eines Kita-Gipfels sehen wir allerdings auf politischer Ebene.
Wir begrüßen den aktuellen Versuch, durch eine Werbekampagne auf unseren Beruf aufmerksam zu machen. Gleichzeitig stellen wir fest, dass scheinbar im Vorfeld wenig mit pädagogischen Fachkräften darüber gesprochen wurde, wie sich deren Berufsalltag gestaltet, und was ihnen bei einer solchen Kampagne wichtig gewesen wäre. Als Berufsverband stellt sich uns weniger die Frage der Personalgewinnung, denn die Ausbildungs- und Studienwege sind vielfältiger geworden und die Kapazitäten wurden massiv ausgebaut. Vielmehr stellt sich uns die Frage, wie das gewonnene Personal gehalten werden oder nach einer Arbeitsunterbrechung wiedergewonnen werden kann. Gerade in den Kitas finden wir eine besondere Form des Fachkräftemangels vor, denn hier liegen Problem und Teillösung der deutschlandweiten Schwierigkeiten direkt beieinander. Ohne eine qualitativ hochwertige Bildung in Kitas halten wir viel Potenzial, gerade von Frauen, dem Arbeitsmarkt fern. Somit muss nicht nur massiv in den Ausbau von Kitaplätzen investiert werden, sondern insbesondere in die Ausstattung, den Personalschlüssel und die Personalbindung in Kitas. Hierzu benötigt es mehr als eine Werbekampagne für den Beruf. Es braucht echte Verbesserung der Arbeits- und Rahmenbedingungen. Dies könnte man erreichen, indem in jeder Kita Stellen geschaffen werden für Hauswirtschaftskräfte und indem jede Kita anteilig an ihren Bedarf eine Integrationsfachkraft beschäftigen kann. Außerdem durch die Weiterführung, Verstetigung und den Ausbau der Sprach-Kitas. Dies sind nur einige der erfahrungsbasierenden Ideen aus unserer Arbeitspraxis.
Sicher ist aber, dass nichts gewonnen ist, solange pädagogische Fachkräfte desillusioniert aus dem Beruf aussteigen, oft schon nach wenigen Berufsjahren. Diese Werbekampagne zeigt den Idealzustand in einer Kita, spiegelt aber nicht die Realität, vor allem die Realität in Kitas, in denen der Fachkräftemangel bereits massiv angekommen ist. Doch wie werbewirksam wäre diese Realität?
Laut der aktuellen Bertelsmann Studie 2022 sind 48,4% der Kitakinder in Baden-Württemberg nicht kindgerecht betreut. Im gesetzlichen Auftrag der Kitas SGB VIII Abschnitt 3 § 22-26 rangieren Bildung, Erziehung und Betreuung gleichrangig. Niemals darf das Kindeswohl wegen Aufsichtspflichtverletzungen durch zu große Gruppen und mangelndes Personal aufs Spiel gesetzt werden. Aus diesem täglichen Spagat zwischen Einhaltung der Aufsichtspflicht und Wahrung der Kinderrechte ergeben sich immer wieder Situationen, die das pädagogische Fachpersonal an ihre Belastungsgrenzen und darüber hinausbringen. Die daraus resultierenden Grenzverletzungen in Kitas nehmen zu und zeigen uns, dass mehr als eine Werbekampagne zur Personalgewinnung nötig ist.
Es gibt in vielen unserer Kitas gut erarbeitete Schutzkonzepte, um Kinder vor seelischer und körperlicher Gewalt zu schützen. Die Kitas, in denen es noch keines gibt, haben jüngst den Arbeitsauftrag bekommen, einrichtungsbezogene Schutzkonzepte verpflichtend zu erstellen.
Dass sich die Gewalt in deutschen Kitas häuft, ist ein deutliches Alarmsignal und sehr besorgniserregend. Bekanntlich hilft das beste Konzept nichts, wenn sich weiterhin an den Rahmen- und Arbeitsbedingungen nichts ändert.
Die Gruppen sind zu groß, die Räumlichkeiten vielerorts veraltet und zu klein, es mangelt an Personal, und es bleibt zu wenig Zeit für die individuelle Zuwendung zum einzelnen Kind. In Baden-Württemberg wird mit einem veralteten Personalschlüssel gerechnet, der es nicht zulässt, allen Kindern gerecht zu werden. Der zunehmend hohe Aufwand, sei es für individuelle Fördermaßnahmen, die bedürfnisorientierte Begleitung von Eltern, oder den bürokratischen Aufwand und überbordende Dokumentationen, stellt die Kitas zusätzlich vor große Herausforderungen. Letztendlich geht die Zeit, die Fachkräfte dafür aufwenden müssen, immer von der Zeit ab, die für die Bildung und Erziehung der Kinder wichtig wäre. Was das für die spätere Schullaufbahn bedeuten kann, zeigt sich unter anderem in der ansteigenden Zahl der Schulabbrecher. Um dem gegenzusteuern, ist es wichtig, in qualitativ bessere Kitas und somit in frühkindliche Bildung zu investieren. Nur dann können Kinder gut auf die Schule vorbereitet und beim Erwerb von Lebenskompetenzen begleitet werden. Deshalb benötigen wir deutschlandweit einen kindgerechten, den Erfordernissen der Praxis angepassten Personalschlüssel in den Einrichtungen und echte Arbeitsentlastungspakete für pädagogische Fachkräfte, damit diese das Berufsfeld nicht verlassen.
Ihrer Aussage, dass wir eigentliche hohe Standards brauchen, stimmen wir als Verband für Kitafachkräfte vollumfänglich zu. Diese Standards sehen wir aber momentan stark unter Beschuss und die ersten “Kompromisse” wurden bereits beschlossen. Der Trend in den Baden-Württembergischen Kitas ist bereits in der Abwärtsspirale.
Was wir brauchen ist Aufschwung, ein völlig neues Denken und die Möglichkeit der kontinuierlichen Beteiligung der Betroffenen, der Kinder und pädagogischen Fachkräfte, um die Lebenswelt der Kinder zu verbessern und qualitativ hochwertige Bildung anzubieten. Das kann nur gelingen, wenn Politik, Gesellschaft und pädagogische Fachkräfte Hand in Hand arbeiten, um die aktuellen Probleme in den Griff zu bekommen.
Sehr gerne würden wir bei einem Online-Meeting mit Ihnen unsere Praxisexpertise einbringen, um gemeinsam an tragfähigen Lösungen zu arbeiten.
Mit freundlichen Grüßen im Namen des Vorstands
Anja Braekow
Pressemitteilung zur neuen Kita-Kampagne des Kultusministerium (20.01.2023)
Am 18.01.2023 wurde diese Kampagne von Staatsminister Schebesta eröffnet.
Wir als Verband begrüßen solche Aktionen grundsätzlich. Da wir aber kein Nachwuchs- sondern ein Strukturproblem haben, kannst Du hier unsere PM zu dieser Kampagne lesen.
PM KitaKampagne Jan23Wir freuen uns über Rückmeldungen, wenn diese PM in Deinem Netzwerk weiter geleitet wird und natürlich auch über Kommentare hier im Beitrag.
Wir sind nun 2 Jahre alt ! (04.01.2023)
Offener Brief an Frau Schwelling – Landesvorsitzende der Grünen Fraktion (14.09.2022)
Am 12.09.2022 wurde folgende Pressemeldung veröffentlicht:
Im Verlauf äußerte sich Frau Schwelling:
Selbstverständlich können wir diese Aussage nicht so stehen lassen und so haben wir uns mit einem Brief an sie gewandt:
Sehr geehrte Frau Schwelling,
Wir verstehen, dass Sie in der aktuellen angespannten Situation reagieren müssen.
In diesem Zusammenhang möchten wir uns zunächst bei Ihnen vorstellen:
Seit unserer Gründung im Januar 2021 sind wir ein stetig wachsender und aktiver Verband.
Gemeinsam mit Eltern, Trägern und Interessierten machen wir uns auf den Weg um die Bedingungen in den Kitas in Baden-Württemberg bedeutend zu verbessern. Wir wollen, dass Kitas zu einem Ort werden, an dem Kinder, Eltern und Pädagogen gemeinsam wachsen, leben und sich weiterentwickeln können – denn „wir stehen für Veränderung!“.
Wir verfolgen kontinuierlich unsere Ziele:
1. Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen
2. Die Anpassung an einen zeitgemäßen Personalschlüssel
3. Eine einheitliche und praxisnahe Ausbildung
4. Die verpflichtende Zusammenarbeit zwischen Träger, Leitung, Team und
Eltern.
Seit Beginn der Pandemie arbeiten wir in den Kitas mit einem abgesenkten Personalschlüssel, was uns vor große Herausforderungen und Hürden gestellt hat. Ein Lichtblick war, dass diese coronabedingte Ausnahme seit Ende August dieses Jahres abgesetzt wurde. Als Ersatz für diese Vorgehensweise wurde im Juli 2022 vom Kultusministerium ein Maßnahmenkatalog an jede Kita versendet. Dieser beinhaltet die Möglichkeit anstelle einer zweiten pädagogischen Fachkraft auch zwei Nicht-Fachkräfte einzustellen.
In unserer Pressemitteilung vom 28.07.2022 haben wir bereits auf das Maßnahmenpaket reagiert, Sie können unsere Stellungnahme gerne nachlesen unter:
Stellungnahme zum Maßnahmenpaket zum neuen Kitajahr (30.07.2022)
Laut der aktuellen Bertelsmannstudie 2022 gibt es in keinem unserer Bundesländer einen kindgerechten Personalschlüssel. Ganz im Gegenteil, in Baden- Württemberg sind 48,4% der Kitakinder nicht kindgerecht betreut. Im gesetzlichen Auftrag der Kitas SGB VIII Abschnitt 3§ 22-26 rangiert Bildung, Förderung und Betreuung gleichrangig. Ihre Aussage: “Gut dann kommen eben ein paar mehr Kinder in die Gruppe” steht im kompletten Gegenteil zu unserem Schutzauftrag. Es darf niemals das Kindeswohl wegen Aufsichtspflichtverletzung durch zu große Gruppen aufs Spiel gesetzt werden. Und jedes Kind mehr kann ein Kind zu viel sein um diese zu gewährleisten.
Als Berufsverband sind wir permanent dabei, auf die Probleme und Themen die Kita betreffend aufmerksam zu machen und mit Beteiligten aus der Politik an positiven Veränderungen zu arbeiten. Hiermit laden wir Sie ein, sich ein vollumfängliches Bild über den Alltag einer Kita zu machen. Wir stehen Ihnen für ein Gespräch, sei es online oder persönlich sehr gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen