Pressemitteilung zum Erprobungsparagrafen (07.09.2023)

In den Sommerferien wurde der Erprobungsparagraph weiter „verfeinert“ und die Allgemeinheit über die anstehenden Änderungen in Kenntnis gesetzt.
Als Berufsverband können wir den Gesetzesentwurf und die angestrebten Veränderungen nicht gut heißen und nehmen hierzu erneut Stellung.
Im neuen KiTa-Gesetz soll der sogenannte „Erprobungsparagraf“ etabliert werden. Diesem Paragrafen sehen wir vom Verband der Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg mit großer Sorge entgegen. Ziel dieser Erneuerung soll ein weiterer, aber rechtssicherer Rahmen unter Beteiligung der Akteure vor Ort sein, damit neue Konzepte entwickelt und erprobt werden können. Somit werden willkürlich Kitas zu Erprobungsstätten minderer Bildungsqualität. In der letzten Pressemitteilung vom 5.07.2023 zur Kita-Öffnungsklausel haben wir zum wiederholten Mal unsere Bedenken kundgetan. Nun äußern wir uns erneut zu den Neuerungen, da mittlerweile der Bürgerbeteiligungsprozess des Beteiligungsportals Baden-Württembergs läuft. „Wir befürchten, dass die aktuell angespannte Lage dazu führt, dass Kommunen und Träger reine Betreuungslösungen suchen werden. Somit wird die Bildungsarbeit und Entwicklungsbegleitung noch mehr auf der Strecke bleiben“, äußert sich Anja Braekow vom Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg zu den Plänen der Landesregierung das KiTa-Gesetz zu öffnen bzw. flexibilisieren. „Als Gesellschaft müssen wir uns fragen in welche Richtung es gehen soll? Sollen Kitas den Grundstein der institutionellen Bildung legen? Sollen die Kinder dort individuell gefördert und gestärkt werden? Oder sollen Kitas reine Aufbewahrungsstätten sein?“ stellt Braekow infrage. Nur gute Rahmenbedingungen ermöglichen eine gute Bildungsarbeit mit individueller Begleitung. Es ist wissenschaftlich belegt, dass es hierfür gut ausgebildete und genügend personelle Ressourcen benötigt und die Bildungsbiografie der Kinder nachhaltig positiv beeinflusst werden kann, die nordischen Länder leben es uns vor. Ebenfalls nachvollziehbar für jeden ist, dass fehlende oder mangelhafte frühkindliche Bildungsbegleitung die Zahl der Schulabbrecher erhöht. „Es muss ein Umdenken auf politischer und gesellschaftlicher Ebene geben. Jede Investition in frühkindliche Bildung ist eine gute Investition und wird sich vielfach auszahlen. Kinder sind unsere Zukunft. Was wir hier nicht erfolgreich umsetzen, wird die Gesellschaft immer wieder einholen“, führt Braekow aus. „Wir brauchen ausreichend fachlich gutes Personal, das eine moderne an der Lebenswelt der Kinder orientierte Ausbildung hat und keine Kräfte, die einen kurzen Crashkurs hatten, um dann auf die Kinder aufzupassen. Aktuell kämpfen wir mit dem Fachkräftemangel in Kitas. Auf der anderen Seite gibt es allgemein eine hohe Arbeitslosigkeit. Hier könnten wir uns vorstellen, dass aktuelle Arbeitssuchende bei persönlicher Eignung in Kitas zusätzlich eingesetzt werden könnten. In allen Kitas könnte das pädagogische Personal so zum Beispiel durch Hauswirtschaftskräfte entlastet werden, damit sie wieder mehr Zeit für die Arbeit am Kind haben. Es ist auch möglich, je nach Unterstützungsbedarf zusätzliches Personal zur Begleitung einzelner Kinder mit höherem Förderbedarf anzulernen und somit die Gruppensituation zu entlasten. Aktuell werden viele solcher Lösungen aus finanziellen und bürokratischen Gründen blockiert. Hier möchten wir, dass Lösungsansätze gesucht werden, statt Standards zu senken und die Rahmenbedingungen zusätzlich zu erschweren“, äußert sich Anja Braekow weiter.
„Momentan läuft auf der Homepage des Beteiligungsportals Baden-Württemberg eine Online-Kommentierung des Gesetzentwurfs. Jede*r Bürger*in kann dieses Portal nutzen und wir hoffen, dass sich viele im Sinne der Kinder beteiligen. Denn leider ist es den Kita-Kindern selbst nicht möglich, weshalb wir diese Entscheidungen noch sorgfältiger treffen müssen, denn sie betreffen die Zukunft unseres Landes“, bezieht Braekow Stellung zur bis 14. September laufenden Kommentierungsphase.
Wir verstehen den Wunsch der Eltern, der Träger, des Landes und der Wirtschaft Verlässlichkeit anzubieten, auch die pädagogischen Fachkräfte möchten dies wieder leisten können. Dennoch ist aber der hier eingeschlagene einfache Weg der falsche. Diese kurzfristigen Lösungen bringen noch mehr Stolpersteine. Pädagogische Konzepte können nicht umgesetzt werden, der Kinderschutz wird mit Füßen getreten und Kinderrechte verletzt. Mit der Einführung des Erprobungsparagrafen verlieren wir die die aktuell noch vorhandene Qualität der Kitas. Es wird der Willkür und Quantität Tür und Tor geöffnet.
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