Der Vorschlag, einen Zukunftsparagrafen einzuführen, stammt aus der Feder des Städtetags und befasst sich im Kern mit dem Gedanken, den Kommunen im Hinblick auf den Personalmangel in den Kitas mehr Gestaltungsfreiraum zu ermöglichen. Uns als Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg stellt sich hier aber die Frage, ob auch alle Kommunen bereit und in der Lage sind, diesen Handlungsspielraum im Sinne einer qualitativ hochwertigen frühkindlichen Bildung zu erfüllen. Stehen das Wohl und der Schutz der Kinder wirklich immer an erster Stelle?
Wie in der Pressemitteilung vom 17.03.2023 hingewiesen, birgt dieser Zukunftsparagraf mehr Gefahren als Chancen für die pädagogischen Fachkräfte als auch für die zu betreuenden Kinder. Mehr unqualifiziertes Personal zu beschäftigen ist keinesfalls eine Aufwertung der frühkindlichen institutionellen Bildung, sondern signalisiert, dass Kinderbetreuung jeder kann. Eine Schulung reicht vielleicht aus, um mit fachfremdem Personal als Zusatzkräfte den Alltag zu bewältigen, aber nicht, um sie als Ersatz für gelernte Fachkräfte einzusetzen. „Die Komplexität und die fachlichen Kompetenzen von pädagogischen Fachkräften werden abgewertet, wenn ungelernte Zusatzkräfte mit Schulungen auf den Personalschlüssel angerechnet werden sollen. Diese können niemals dieselbe Arbeit leisten wie voll ausgebildete Fachkräfte“, so Anja Braekow vom Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg. Diese Zusatzkräfte müssen in der Praxis angelernt werden. Hierfür benötigt es entsprechend Zeit und Fachpersonal, um eine gute Praxisintegration sicherzustellen.
„Qualifiziertes Fachpersonal durch unqualifiziertes Personal zu ersetzen, heißt nicht nur mehr Abstriche in der Bildung zu machen, sondern auch, sich auf rechtlich dünnes Eis zu begeben“ führt Braekow aus. Gerade in Kitas ist die Wahrung der Aufsichtspflicht, der Kinderschutz, der Umgang mit Schutzbefohlenen und der Unfallverhütung ein wichtiger Aspekt. Zudem muss dem rechtlichen Anspruch eines Dreiklangs zwischen Betreuung, Bildung und Erziehung Rechnung getragen werden.
„Es müssen tragbare Lösungen gefunden werden, unter denen die Qualität nicht leidet. Das der Städtetag nun aktiv wird und nach Lösungen sucht, ist nachvollziehbar, wurde die Situation doch schon viel zu lange nur beobachtet. Der Druck auf einzelne Kommunen ist durch Klagen von betroffenen Familien enorm gestiegen. Aber die Lösung kann nicht sein, wie im Vorstoß des Städtetags gefordert, die Rahmenbedingungen zu flexibilisieren“, erörtert Braekow die Situation. „Standards zu senken und das Landesrecht zu lockern geht immer zulasten der Qualität. Diese Lösung ist in unseren Augen zu kurz gedacht. Es ist vielleicht im Moment die kostengünstigste Lösung, aber längerfristig wird auch diese viele Gelder verschlingen, die es angeblich nicht gibt“, führt sie weiter aus.
„Wenn, wie vom Städtetag behauptet, tatsächlich immer das Kindeswohl und frühkindliche Bildung hohe Priorität haben, ist es nun an der Zeit, die Situation zu entlasten, statt zu verschärfen. Für uns als Verband stellt sich hier auch die Frage, was mit den Zusatzkräften und den gesenkten Standards passiert, wenn sich die Situation in den Kitas wieder stabilisiert“, gibt Braekow zu bedenken.
„Wir fordern ein Zukunftsforum, einen Kita-Gipfel, bei dem sich die Verantwortlichen aus Politik, Spitzenverbänden, Berufsverbänden, Gewerkschaften und Eltern gemeinsam um tragfähige Lösungen bemühen. Es gilt, die losen Enden einzelner Lösungsansätze zu bündeln und ein Paket für die Zukunft der Kitas und pädagogischen Fachkräfte zu schnüren“, fordert Anja Braekow.
„Als mögliche Finanzierung könne die angestrebte Wahlrechtsreform dienen. Diese wird Milliarden freisetzen und birgt die Chance, endlich in die Zukunft unserer Kinder und in bessere Arbeits- und Rahmenbedingungen für das pädagogische Fachpersonal zu investieren. Das wäre in unseren Augen ein erster Schritt in die richtige Richtung“, regt Anja Braekow vom Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg an.