Wir schreiben Herrn Broß und Herrn Lachat vom Städtetag (27.03.2023)

Sehr geehrter Herr Lachat,
sehr geehrter Herr Broß,
in den letzten drei Jahren ist die pädagogische Arbeit in den Kitas zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Dies ist sicherlich auch der aktuellen Lage um den Fachkräftemangel geschuldet. Als Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg verfolgen wir die aktuellen Entwicklungen und bringen kontinuierlich unsere Praxisexpertise ein.
In diesem Zusammenhang wenden wir uns heute zum Thema „Zukunftsparagraf“ an Sie.
Grundsätzlich begrüßen wir den Vorstoß des Städtetages, den Kommunen mehr Gestaltungsspielraum beim Einsatz von Personal in den Kitas einzuräumen. Wir als Berufsverband sind ebenfalls der Meinung, dass es Zeit ist, neue Wege zu gehen, Lösungsansätze zu suchen und die Situation vor Ort in den Kindertageseinrichtungen grundlegend zu verbessern.
Multiprofessionelle Teams sind ein Ansatz, der in die richtige Richtung gehen kann. Jedoch kann die Lösung für dieses bundesweite Problem nicht sein, auf unqualifiziertes fachfremdes Personal zu setzen und dieses auf den zu knapp bemessenen und nicht mehr zeitgemäßen Personalschlüssel anzurechnen. Eine Fachkraft pro Einrichtung ist nicht nur ungenügend, sondern grob fahrlässig. Auch die Erhöhung der Kinderanzahl pro Gruppe oder eine Randzeitenbetreuung durch Nicht-Fachkräfte können nicht die Patentlösungen sein.
Laut Ihnen, Herr Lachat, steht „das Wohl, der Schutz und die Sicherheit der Kinder (…) weiterhin ganz oben, hier wird es keinerlei Abstriche geben“. In oben genanntem Kontext ist dies definitiv nicht mehr zu leisten. Dieser Vorschlag führt unserer Meinung nach zu noch mehr Kündigungen durch das bestehende pädagogische Fachpersonal. Zum einen, weil die Fachkräfte sich in ihrer Professionalität abgewertet fühlen und zum anderen, weil sie befürchten, zusätzliche Arbeit im Bereich Bildung und Erziehung zu bekommen, wenn sie unqualifiziertes Personal anlernen und im Alltag begleiten müssen. Eine Nachqualifizierung mit „Schulungen“ ersetzt in keiner Weise hoch professionell ausgebildetes pädagogisches Fachpersonal.
Mit Sorge nehmen wir wahr, dass die Umsetzung des Baden-Württembergischen Orientierungsplans durch den Zukunftsparagrafen flexibel gehandhabt werden soll. Nicht nur, dass in die Überarbeitung und Anpassung sehr viel Geld investiert wurde. Der Orientierungsplan sichert auch die Qualität im Bereich Bildung und Erziehung und ist unsere Arbeitsgrundlage. Wenn hier Abstriche gemacht werden, bricht ein wichtiger Teil des gesetzlichen Auftrags weg, nämlich einen Dreiklang aus Bildung, Erziehung und Betreuung zu schaffen – eine Schieflage hin zu Betreuung um jeden Preis lehnen wir im Hinblick auf die Wichtigkeit frühkindlicher Bildung ab. Zudem sind der Bildungsauftrag und die Möglichkeit, Kinder in ihrer Entwicklung zu begleiten, ein wichtiger Grund, weshalb Menschen einen pädagogischen Beruf ergreifen. Wenn diese Arbeit, egal aus welchen Gründen, nicht mehr geleistet werden kann, steigt die Personalfluktuation.
Um den Kindern den bestmöglichen Start zu ermöglichen, reicht es nicht aus, das kleinere Übel zu wählen und Kitas mit einer Experimentierklausel zu Experimentierstätten zu machen. Wenn für Sie tatsächlich immer das Kindeswohl und frühkindliche Bildung an erster Stelle steht, ist es an der Zeit, die Situation zu entlasten, statt zu verschärfen. Dies wiederum würde mehr pädagogische Fachkräfte sowie zusätzliches Personal bedeuten, statt Personal zu ersetzen.
Wir brauchen Lösungen, um das bestehende Personal zu halten, und den Beruf durch verbesserte Rahmenbedingungen wieder attraktiv zu machen.
Dies kann unserer Meinung nach am besten durch einen echten Dialog gelingen.
Gerne möchten wir als Berufsverband mit Ihnen allen gemeinsam zu diesen wichtigen und zukunftsweisenden Themen ins Gespräch kommen. Wir bieten Ihnen hiermit sehr gerne unsere Mitarbeit an, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Ein erster Schritt wäre eine ehrliche Ist-Stand-Erhebung, bei der wir selbstverständlich unsere Praxisexpertise einbringen würden.
Zudem fordern wir mit unseren Schwesternverbänden aus ganz Deutschland einen „Kita-Gipfel“, der sich bundesweit damit beschäftigt, wie Lösungen aussehen können. Denn allen ist klar, dass weder Land noch Kommunen oder Träger die dringend notwendigen Veränderungen alleine stemmen können. Der Dreiklang aus Bildung, Erziehung und Betreuung kann funktionieren und wir sind gerne bereit, unseren fachlichen Beitrag dazu zu leisten.

Mit freundlichen Grüßen

Anja Braekow
1. Vorsitzende

BriefStädtetagZukunftsparagraf_März23

Pressemitteilung zum Vorschlag des Städtetags bezüglich eines Zukunftsparagrafen (27.03.2023)

Der Vorschlag, einen Zukunftsparagrafen einzuführen, stammt aus der Feder des Städtetags und befasst sich im Kern mit dem Gedanken, den Kommunen im Hinblick auf den Personalmangel in den Kitas mehr Gestaltungsfreiraum zu ermöglichen. Uns als Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg stellt sich hier aber die Frage, ob auch alle Kommunen bereit und in der Lage sind, diesen Handlungsspielraum im Sinne einer qualitativ hochwertigen frühkindlichen Bildung zu erfüllen. Stehen das Wohl und der Schutz der Kinder wirklich immer an erster Stelle?

Wie in der Pressemitteilung vom 17.03.2023 hingewiesen, birgt dieser Zukunftsparagraf mehr Gefahren als Chancen für die pädagogischen Fachkräfte als auch für die zu betreuenden Kinder. Mehr unqualifiziertes Personal zu beschäftigen ist keinesfalls eine Aufwertung der frühkindlichen institutionellen Bildung, sondern signalisiert, dass Kinderbetreuung jeder kann. Eine Schulung reicht vielleicht aus, um mit fachfremdem Personal als Zusatzkräfte den Alltag zu bewältigen, aber nicht, um sie als Ersatz für gelernte Fachkräfte einzusetzen. „Die Komplexität und die fachlichen Kompetenzen von pädagogischen Fachkräften werden abgewertet, wenn ungelernte Zusatzkräfte mit Schulungen auf den Personalschlüssel angerechnet werden sollen. Diese können niemals dieselbe Arbeit leisten wie voll ausgebildete Fachkräfte“, so Anja Braekow vom Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg. Diese Zusatzkräfte müssen in der Praxis angelernt werden. Hierfür benötigt es entsprechend Zeit und Fachpersonal, um eine gute Praxisintegration sicherzustellen.

„Qualifiziertes Fachpersonal durch unqualifiziertes Personal zu ersetzen, heißt nicht nur mehr Abstriche in der Bildung zu machen, sondern auch, sich auf rechtlich dünnes Eis zu begeben“ führt Braekow aus. Gerade in Kitas ist die Wahrung der Aufsichtspflicht, der Kinderschutz, der Umgang mit Schutzbefohlenen und der Unfallverhütung ein wichtiger Aspekt. Zudem muss dem rechtlichen Anspruch eines Dreiklangs zwischen Betreuung, Bildung und Erziehung Rechnung getragen werden.

„Es müssen tragbare Lösungen gefunden werden, unter denen die Qualität nicht leidet. Das der Städtetag nun aktiv wird und nach Lösungen sucht, ist nachvollziehbar, wurde die Situation doch schon viel zu lange nur beobachtet. Der Druck auf einzelne Kommunen ist durch Klagen von betroffenen Familien enorm gestiegen. Aber die Lösung kann nicht sein, wie im Vorstoß des Städtetags gefordert, die Rahmenbedingungen zu flexibilisieren“, erörtert Braekow die Situation. „Standards zu senken und das Landesrecht zu lockern geht immer zulasten der Qualität. Diese Lösung ist in unseren Augen zu kurz gedacht. Es ist vielleicht im Moment die kostengünstigste Lösung, aber längerfristig wird auch diese viele Gelder verschlingen, die es angeblich nicht gibt“, führt sie weiter aus.

„Wenn, wie vom Städtetag behauptet, tatsächlich immer das Kindeswohl und frühkindliche Bildung hohe Priorität haben, ist es nun an der Zeit, die Situation zu entlasten, statt zu verschärfen. Für uns als Verband stellt sich hier auch die Frage, was mit den Zusatzkräften und den gesenkten Standards passiert, wenn sich die Situation in den Kitas wieder stabilisiert“, gibt Braekow zu bedenken.

„Wir fordern ein Zukunftsforum, einen Kita-Gipfel, bei dem sich die Verantwortlichen aus Politik, Spitzenverbänden, Berufsverbänden, Gewerkschaften und Eltern gemeinsam um tragfähige Lösungen bemühen. Es gilt, die losen Enden einzelner Lösungsansätze zu bündeln und ein Paket für die Zukunft der Kitas und pädagogischen Fachkräfte zu schnüren“, fordert Anja Braekow.

„Als mögliche Finanzierung könne die angestrebte Wahlrechtsreform dienen. Diese wird Milliarden freisetzen und birgt die Chance, endlich in die Zukunft unserer Kinder und in bessere Arbeits- und Rahmenbedingungen für das pädagogische Fachpersonal zu investieren. Das wäre in unseren Augen ein erster Schritt in die richtige Richtung“, regt Anja Braekow vom Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg an.

Pressemitteilung zum Vorschlag des Städtetags Baden-Württemberg Senior*innen und anderes Personal in Kitas einzusetzen (17.03.2023)

Die Misere in der Kitalandschaft ist mittlerweile keine Neuigkeit mehr. Auch das ehemalige Musterland Baden-Württemberg schafft den Spagat zwischen Bildung und Betreuung, Realität und Wunsch schon lange nicht mehr. Was allerdings neu ist, sind die vielen Akteure und Lösungssucher, die sich aktuell mit diesem Thema beschäftigen. Als pädagogische Fachkraft könnte man sich wundern: “Warum erst jetzt? ”. Doch wenn man die aktuelle Entwicklung beobachtet, dann erkennt man, warum. Es hagelt Klagen von Eltern, der Aufschrei der Arbeitgeber ist groß, da ihnen aufgrund von Kitaschließungen das Personal fehlt. Die Medien berichten immer mehr von den Missständen. Doch nicht alle Ideen tragen zu guten Lösungen bei.

Jüngst machte sich der Städtetag Gedanken zur Situation und fordert vom Land mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Doch sind auch alle Kommunen bereit und in der Lage, diesen Handlungsspielraum im Sinne einer qualitativ hochwertigen frühkindlichen Bildung zu erfüllen? Stehen das Wohl und der Schutz der Kinder wirklich immer an erster Stelle? Wenn dem so wäre, dann fragt man sich, wie diese Situation überhaupt zustande kam?

“Die Kitawelt muss sich grundlegend ändern”, äußert sich Anja Braekow Vorstandsmitglied im Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg.

Mittlerweile werden immer häufiger Betreuungszeiten gekürzt oder Notgruppen eingerichtet, da pädagogisches Fachpersonal krank und erschöpft wegbricht oder ganze Stellen unbesetzt bleiben. „Die Lösung für dieses bundesweite Problem kann aber nicht sein, auf unqualifiziertes fachfremdes Personal zu setzen und diese dann auch noch auf den sowieso schon knapp bemessenen und nicht mehr zeitgemäßen Personalschlüssel anzurechnen“, führt Braekow aus. „Es würde allerdings schon eine Entlastung bringen zusätzliches Personal im Hauswirtschaftsbereich und der Verwaltung einzusetzen“, unterstützt Heide Pöschel, ebenfalls Vorstandsmitglied, Braekows Forderung.

Mit einer optimalen Schulung könnten Zusatzkräfte eine gewinnbringende Bereicherung sein und in der Verwaltung sowie Hauswirtschaft entlasten. Auch bei alltäglichen Angeboten wie Vorlesen oder Brettspiele spielen können solche Kräfte eine Unterstützung darstellen, aber niemals dürfen sie aus entwicklungspsychologischer und neurobiologischer Sicht als Ersatz von pädagogischen Fachkräften eingesetzt werden.

„Kitas sind für viele Kinder oft die erste Einrichtung, in der sie außerfamiliär betreut werden. Hier wird der Grundstein der institutionellen Bildung gelegt. In Kitas werden individuelle Bildungsentwicklungen und das soziale Miteinander der Kinder begleitet, Eltern werden unterstützt und es wird mit weiteren Kooperationspartnern gearbeitet. Dies kann nur mit einer qualitativhochwertigen Ausbildung geleistet werden“, stellt Braekow vom Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg die Situation dar. Um den Kindern den bestmöglichen Start zu ermöglichen, reicht es nicht aus, das kleinere Übel zu wählen und Kitas mit einer Experimentierklausel zu Experimentierstätten zu machen. „Es kommt nun darauf an, welche Maßnahmen wie und wann genau umgesetzt werden sollen. Wenn, wie vom Städtetag behauptet, tatsächlich immer das Kindeswohl und frühkindliche Bildung hohe Priorität haben, ist es nun an der Zeit, die Situation zu entlasten, statt zu verschärfen. Dies wiederum würde mehr Personal bedeuten, statt Personal zu ersetzen, durch engagierte Senior*innen. In den letzten Jahren haben wir zu oft erlebt, dass ein einmal gesenkter Standard nicht mehr angehoben wird“, führt Pöschel weiter aus und unterstreicht die Anliegen des Verbands.

„Qualifiziertes Fachpersonal durch unqualifiziertes Personal zu ersetzen, heißt nicht nur noch mehr Abstriche in der Bildung zu machen, sondern auch, sich auf rechtlich dünnes Eis zu begeben. Wer trägt die Konsequenzen, wenn ein Unfall passiert? Sind pädagogische Fachkräfte gewillt, unter diesen Umständen zu arbeiten oder wird die Fluktuation dadurch noch verstärkt? Wie soll in einer solchen Situation Bildungsgerechtigkeit realisiert werden? Kann Kinderschutz so überhaupt noch funktionieren? All dies sind Fragen und Ängste unserer Mitglieder“, schildert Braekow die Situation.

„Wie sich alles entwickelt, ist nun noch unklarer als bisher. Das laugt aus und erschöpft. Viele pädagogische Fachkräfte können bereits nicht mehr, also muss alles unternommen werden, um ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern, denn ohne gute Kitas fehlt den Kindern der Grundstein einer guten Bildungsbiografie und spätestens in der Schule und dem Berufsleben brauchen wir leistungsstarke, resiliente und lernbereite Charaktere für die Zukunft unseres Landes“, plädiert Anja Braekow vom Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg.

Kita-Fachkräfte-Mangel Pressemitteilung vom 25.07.2022

Kita-Fachkräfte-Mangel: Kommunen machen Druck, Gruppen zu vergrößern – sonst…

Diesen und andere Artikel erreichen uns aktuell, wir haben mit einer Pressemitteilung reagiert:

Guten Tag,

als Verband Kita-Fachkräfte reagieren wir auf die Forderungen vom Städtetag, die Bedingungen zu „Flexibilisieren“.
Hiermit sende ich Ihnen unser Pressemitteilung/Stellungnahme dazu. Für mehr Informationen über den Verband besuchen Sie unsere Website: www.verband-kitafachkraefte-bw.de

Die Kommunen des Landes warnen vor einem Kollaps beim Ausbau der Kindertagesstätten und der Ganztagsbetreuung in Grundschulen. Der Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg ist mit der schwierigen Situation bestens vertraut, sieht die Lösungsansetze, die aktuelle auf verschiedenen Ebenen angestrebt werden allerdings nicht als zielführend. Vom Städtetag wird gefordert, mehr Mittel zur Verfügung zu stellen oder die Standards in den Kitas zu senken. Ebenso verlangt Peter Kurz, Präsident des Städtetags „Öffnungen und Experimente zuzulassen, da mit den jetzigen Standards die quantitativen Erwartungen nicht erfüllt werden können.“ Der Verband Kita-Fachkräfte wiederum verfolgt das Ziel die Qualität anzuheben um für Fachkräfte attraktiver zu werden und somit auch Quantitativ ausbauen zu können.

Im Zusammenhang des Fachkräftemangels wird vom Städtetag schon lange die Erhöhung der Gruppengrößen gefordert und der Einsatz von nicht-pädagogischen Fachkräften. Der Verband Kita-Fachkräfte sieht diese Forderungen kritisch und gibt zu bedenken, dass zu große Gruppen und zu wenig Fachpersonal die Situation verschärfen wird, da die, die jetzt noch diesen Beruf ausüben ihm dann den Rücken kehren werden. Die Aufgaben einer Fachkraft reicht neben der Aufsichtspflicht, Elternberatung, Entwicklungsdokumentation, von pädagogischen, pflegerischen bis hin zu hauswirtschaftlichen Aufgaben. Dabei muss sie jedem individuellen Bedürfnis und Entwicklungsschritt sowie der Gruppendynamik gerecht werden. Vor diesem Spagat stehen pädagogische Fachkräfte jeden Tag. Schon lange scheitert dieser Versuch am vorherrschenden Personal- und Zeitmangel sowie an der zu großen Gruppengröße von meist 25 Kindern. Immer weiterwachsende Anforderungen an die Fachkräfte bei gleichbleibenden Arbeits- und Rahmenbedingungen, fehlenden finanziellen Zuwendungen und dem geringen Ansehen in der Politik und Gesellschaft sind die tägliche Realität. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf darf nicht nur auf den Schultern der Kitas lasten. Hier sind ebenso die freie Wirtschaft und Arbeitgeber in der Verantwortung. Der Kollaps steht bevor und zeichnet sich schon am Horizont ab. Bildung und Erziehung stehen auf der täglichen Agenda ganz weit unten. Mittlerweile geht es vorrangig um die Erfüllung der Aufsichtspflicht und das um jeden Preis. Die Unzufriedenheit wächst auf allen Seiten und die leidtragenden sind schlussendlich die Kinder.

Größere Gruppen und nicht-pädagogische Fachkräfte dürfen in dem Dilemma nicht die Lösung sein, wenn die Kinder im Fokus stehen, positioniert sich der Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg. Die Folgen wären verheerend: Kein Kind wird mehr individuell betreut, es zählt nur noch, dass Kinder körperlich unversehrt nach Hause gehen, noch mehr pädagogische Fachkräfte werden sich beruflich umorientieren und die, die dann noch übrig sind, brechen erst recht erschöpft und krank zusammen.

Wir dürfen nicht vergessen, dass unsere Kinder unsere Zukunft sind. Sie sind die Entscheider, Politiker, Fachkräfte und Arbeiter von morgen. Und da ist ein guter Start ins Leben mit angemessener frühkindlicher Bildung, Erziehung, Zeit und Geborgenheit in den Kitas unverzichtbar.

Freundliche Grüße
Anja Halder

3. Vorsitzende

Ressort Öffentlichkeitsarbeit

Brief an Herrn Steffen Jäger (11.10.2021)

https://www.badische-zeitung.de/gemeindetags-praesident-jaeger-fordert-geld-fuer-kita-ausbau–205368729.html

Dieses Interview haben wir von einem unserer Mitglieder zugeschickt bekommen. Da uns einige Inhalte sehr verwundert haben, haben wir heute einen Brief an Herrn Jäger gesendet.

Sehr geehrter Herr Jäger, 

als Verband Kitafachkräfte Baden-Württemberg möchten wir uns Ihnen in Ihrer Funktion als Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg vorstellen. 

Seit unserer Gründung im Januar 2021 sind wir ein stetig wachsender und aktiver Verband. Gemeinsam mit Eltern, Trägern, Fachverbänden und Interessierten machen wir uns auf den Weg, um die Bedingungen in den Kitas in Baden-Württemberg bedeutend zu verbessern. 

Seit vielen Jahre bewältigen die Gemeinden und Städte in Baden-Württemberg den Ausbau an Kita-Plätzen und damit einhergehend die Fachkräftegewinnung und Betreuungsqualität je nach Budget und Priorität. In den letzten Jahren ist hier ein Ungleichgewicht entstanden, welches verhindert, dass überall der Chancengleichheit und dem Bildungsauftrag nachgekommen werden kann. In den nächsten Jahren kommt ein weiterer Kostenfaktor der des Ganztagsausbaus an Schulen hinzu. Aus unserer Arbeitspraxis wissen wir jedoch, dass es bereits jetzt an Fachkräften mangelt. Der Fachkräftemangel beruht auf einigen Faktoren, u. a. der mangelnden gesellschaftlichen Wertschätzung, dem niedrigen Gehalt und den wünschenswerten Rahmenbedingungen. Als Verband setzen wir uns vor allem für die Verbesserung der Rahmenbedingungen ein, da wir überzeugt sind, dass in qualitativ hochwertigen Kitas auch gutes Personal arbeitet und der Beruf attraktiver wird. Mit entsprechenden finanziellen Mitteln und Prioritätensetzung ließe sich viel zum Positiven bewegen. Aus Sicht vieler Städte und Gemeinden sowie der Wirtschaft steht vieler Orts der reine Platzausbau im Vordergrund. Mancherorts können dann neue Kitas nicht öffnen, schlicht aus Personalmangel. Dem von Ihnen gegeben Interview in der Badischen Zeitung vom 06.10.2021 haben wir entnommen, dass Ihnen viele der genannten Aspekte wohlbekannt sind. 

Was bei uns und unseren Mitgliedern jedoch auf großen Unmut stieß, ist Ihre Aussage wie man dem Platzmangel an Kitas entgegenwirken kann. Sie äußern sich, dass “Größere Gruppen (…) eine Möglichkeit (wären). Eine andere wäre, eine stärkere Unterstützung der Fachkräfte durch Zusatzpersonal.” Zwar stellen Sie in Aussicht, dass dies eine mögliche “Zwischenlösung” sei, doch erleben wir in unserem Beruf und der Kommunalpolitik, dass so manches Provisorium zur Dauereinrichtung wird, gerade in Mangelzeiten. Eine größere Gruppengröße führt u. a. zu mehr Lärm, dieser führt wiederum zu mehr Stress bei Kindern und Personal, was wiederum zu mehr Krankheitsausfällen führt bis hin zu Gruppenschließungen und Öffnungszeitenreduzierung auf Grund von Personalmangels. Ebenso führt eine reine Vergrößerung der Gruppen dazu, dass noch weniger pädagogisch gearbeitet werden kann und die Aufsichtspflicht nicht mehr gewahrt werden kann.  

Wir sind der Meinung, dass jetzt in die Zukunft unseres Landes, die durch die Kinder vertreten wird, investiert werden muss. Ein Faktor stellt hier die Frühkindliche Bildung dar und ein durchdachtes Ganztagsbetreuungskonzept für Schulen. Ein reiner Ausbau der (Kita-) Plätze, auch mithilfe von Zusatzkräften, geht auf Kosten der Kinder und des Personals und wird zu einer noch größeren Berufsabwanderung führen, als wir sie gerade schon erleben. Als Verband Kitafachkräfte sehen wir das Modell der Zusatzkräfte als nicht tragfähig, bestenfalls aber als Ergänzung zum Mindestpersonalschlüssel, um eine Entlastung des Fachpersonals zu erreichen, entgegen Ihrem Ansinnen, Fachkräfte durch ungelernte kostengünstige Kräfte zu ersetzen.  

Ebenfalls verwundert hat uns Ihre Aussage, dass “die Bezahlung der frühkindlichen Pädagoginnen und Pädagogen (…) sich in den letzten Jahren überdurchschnittlich entwickelt (hat)”. Wenn man sich die Gehaltserhöhungen der letzten Jahre ansieht und die Inflation dazu betrachtet, so stellt man fest, dass in vielen Jahren die Lohnsteigerung nicht inflationsbereinigt war. Somit blieb die Reallohnsteigung in den letzten Jahren nahezu aus.  Auch dies sehen wir als einen der Faktoren, welcher zu einem höheren Fachkräftemangel führen wird. Hier wiederum hätten die meisten Gemeinden aber mit Bonusprogrammen und Gratifikationen eine schnell umsetzbare Lösung, um Fachkräfte zu gewinnen und Kitas als Arbeitsstelle attraktiver zu machen.  

Als Verband, dessen Vorstände und Mitglieder in der täglichen Kitapraxis arbeiten, würden wir gerne mit Ihnen ins Gespräch kommen. Wir gehen davon aus, dass es auch Ihren Mitgliedergemeinden ein großes Anliegen ist, qualitativ gute Kitas anzubieten, um als Wohnort für Familien und Standort für Unternehmen attraktiv zu sein.   

Wir freuen uns auf eine Nachricht von Ihnen, damit wir zeitnah in einen konstruktiven Austausch gehen können. 

Mit freundlichen Grüßen

Anja Braekow

  1. Vorsitzende