Sehr geehrte Damen und Herren,
am 08.09.2021 erhielten alle Kitas in Baden-Württemberg von Kultusministerin Schopper einen Brief mit der Information über bevorstehende Änderungen der Corona VO-Kita ab 13.09.2021. Als Verband nehmen wir es positiv wahr, dass dieses Mal bereits fünf Tage vor Gültigkeit der VO über deren Änderung informiert wurde. Dennoch müssen wir anmerken, dass die meisten Kitas seit Mitte August keine Sommerferien mehr haben und der größte Teil der Kinder und Mitarbeiter seit Wochen unter unklaren Bedingungen anwesend ist. Erfreulich war, dass das von Seiten des Gesundheitsminister Lucha bestehende freiwillige Testangebot für die in der Einrichtung betreuten Kinder in den ersten zwei Wochen nach der jeweiligen Schließzeit beibehalten wurde. Aus der Praxis wissen, wir, dass dieses Angebot vielerorts nicht genutzt wurde bzw. für die Einrichtungen nicht zur Verfügung stand. Die Erfahrung der gesamten Pandemiezeit zeigt uns, dass Empfehlungen und freiwillige Angebote selten umgesetzt werden. Es benötigt in allen Bereichen der Kita-Organisation Mindeststandards und klaren Regelungen zur Umsetzung der aktuellen CoronaVO-Kita.
Wir vom Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg sind der Meinung, dass es allen Beteiligten an Verlässlichkeit und Weitblick fehlt. Dies hören wir von unseren Mitgliedern immer wieder. Wir fordern eine Strategie, die für alle Beteiligten praktikabel und valide ist.
Für folgende Bereiche sehen wir akuten Handlungsbedarf:
- Testpflicht an Kitas für alle Anwesenden
- Finanzierungsmodalitäten für Schutzmaßnahmen
- Quarantäneregelungen, die einheitlich gehandhabt werden
- Benennung der Zuständigkeiten (Ministerien etc.)
Seit dem 13.09. gilt an Kitas eine tägliche Testpflicht für ungeimpftes Personal das mit Kindern arbeitet. Eine Testpflicht für Kinder ist in dem Schreiben vom 08.09.2021 sowie in der heute, 13.09.21, erschienenen Änderung der Corona-VO Kita nicht eindeutig herauszulesen, sondern besteht nur bei einem Coronafall in der jeweiligen Kindergruppe.
Hier ist unser klarer Appell, dass wir mit Zutrauen und Vertrauen an und in die Kinder vieles bewegen können und eine Testpflicht für Kita-Kinder umsetzbar ist (vgl. “Stellungnahme zur Teststrategie” vom 05. April 2021). Wir sind der Auffassung, dass es den Kindern durchaus zuzutrauen ist, regelmäßig Coronatests durchzuführen. Mit beispielweise den Lolli-Pooltestungen haben viele Kitas gute Erfahrungen gemacht; ebenso wie mit der Testung durch die Eltern zuhause. Seit Frühjahr 2021 ist bekannt, dass Kinder eine Rolle im Infektionsgeschehen spielen und oftmals als “stille Überträger” fungieren. Klar ist: Kita-Kinder halten keinen Abstand, können keinen Mund- und Nasenschutz tragen und Hygieneregeln nicht vollständig einhalten. Kleine Kinder spielen zusammen und wechseln die Spielpartner*innen häufig. Der Kontakt zu den pädagogischen Fachkräften geschieht ohne Abstand und vielerorts aus pädagogisch und entwicklungspsychologischen Gründen ohne Mundschutz seitens des Personals. Unter diesen Aspekten ist es aus unserer Sicht notwendig, eine verbindliche Teststrategie für Kitakinder zu erarbeiten, welche mindestens zehn Wochen umzusetzen ist um anschließend entsprechend evaluiert werden zu können.
Ein weiterer Aspekt ist, dass die pädagogischen Fachkräfte bei ihrer Arbeit vergleichbar wenig Schutzmaßnahmen umsetzen können und müssen. In manchen Einrichtungen finden seit Wochen keine verpflichtenden Testungen des Personals mehr statt. Seit dem 13.09.21 gilt, dass ungeimpftes Personal täglich getestet werden muss. Leider wurden zur praktischen Umsetzung keinerlei Angaben gemacht. In unseren Augen schließt der Gesundheitsschutz alle Beteiligten, das heißt: Personals, Kinder und Familien sowie weitere anwesende Personen ein. Es ist eine Teststrategie zu erarbeiten, welche den gesamten genannten Personenkreis umschließt und auch praktikabel umsetzbar ist. Dies beinhaltet auch die Vorgehensweise bei weiteren pädagogischen Tätigkeiten wie bspw. Elterngespräche und Co.
Es ist uns ein Anliegen, dass die Finanzierung einer Teststrategie sichergestellt wird. Hierzu benötigt es Finanzierungsmodalitäten welche durch das Land erfolgen sowie Mindeststandards für welche die Kosten übernommen werden. Der Gesundheitsschutz der Kinder, Familien und pädagogischen Fachkräfte darf nicht vom Wohlwollen und finanziellen Mitteln einer Kommune abhängig sein. Ebenso muss es eine Finanzierungsoffensive für Luftfilteranlagen und CO2-Ampeln geben, welche für die Kommunen attraktiv ist und somit in allen Kitas umgesetzt wird. Die Umsetzung der geförderten Maßnahmen muss überprüft werden.
Sehr unübersichtlich und nahezu undurchschaubar gestaltet sich die aktuell erschienene Regelung im Positivfall. Zum einen greift diese aktuell nur im Falle eines positiven Coronatests bei einem Kind und nicht beim Personal, zum anderen ist im Vergleich zur Schule (tägliche Testung aller über eine Woche hinweg) lediglich eine einmalige, zeitnahe
Testung der Kindergruppe vorgesehen. In der Praxis zeigte sich immer wieder, dass die Quarantäneregelung eine Einzelfallentscheidung des Gesundheitsamtes vor Ort war.
Wie sich dies mit der neuen Quarantäneregelung für Kitas verhalten wird, gerade unter dem Aspekt der unklaren Regelung, bleibt abzuwarten.
Uns erschließt sich nicht, weshalb Kita-Kinder anders infektiös sein sollten als beispielsweise Grundschulkinder und weshalb es keine Einheitliche Regelung für den gesamten Bildungsbereich gibt. Diese wäre dringend erforderlich um dem Pandemiegeschehen auch im Bildungsbereich gerecht zu werden.
In der Kita-Praxis erleben unsere Mitglieder und wir regelmäßig, dass Zuständigkeiten nicht klar definiert sind. Weder gibt es ein gesamtzuständiges Ministerium noch eine Kita-Corona-Task Force welche auch die praktischen Belange miteinbezieht noch gibt es klare Zuständigkeiten. Die Verlagerung und das Zuschieben von Verantwortlichkeiten auf jeglicher politischen Ebene stellen häufig ein Problem dar. Ohne klar definiertes zuständiges Ministerium, Ansprechpartner und Verantwortliche auf jeglicher Ebene von Bund, Land, Kommune und Träger entsteht ein Gefühl des allein gelassen seins auf Seite des pädagogischen Personals. In diesem Wirrwarr spiegelt sich aus unserer Sicht aber auch der Wert der Bildungsarbeit und der Kinder wider – wir sehen es als politische Aufgabe diesen ins Positive zu verändern – eben auch oder gerade durch die Übernahme von Verantwortung.
Wir erwarten von den Verantwortlichen eine einheitliche, praxisnahe Regelung für die oben genannten Themenfelder. Als Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg wissen wir um die aktuellen Herausforderungen unserer Arbeit und stellen unsere Praxiserfahrung für die weitere Planung zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Anja Braekow
1. Vorsitzende
Anhang: Fragen aus der Praxis
Zum jetzigen Zeitpunkt (13.09.2021) sind für uns aus der Kita-Praxis in Baden-Württemberg folgenden Punkte auf politischer Ebene zu klären:
-> Was gilt im Hinblick auf Personal, welches nicht geimpft ist? Wer beaufsichtigt das Personal beim Test? Wie verhält es sich mit der Arbeitszeit da es für die Arbeit notwendig ist? Wer beaufsichtigt die Kinder während ein*e Kolleg*in abgestellt ist um das ungeimpfte Personal bei der Testung zu überwachen? Wer trägt wie lange die Kosten dieser Testungen?
- Testungen des ungeimpften Personals in Teststellen sind oftmals wegen der nicht zu vereinbarenden Öffnungszeiten möglich. Welche Regelungen sind hierfür vorgesehen? Denn wenn in einer Kita niemand geimpft ist, dann darf aktuell auch niemand die Testung überwachen. Wie wird in solchen Fällen verfahren?
- Weshalb soll eine Berufsgruppe, die seit Beginn der Pandemie mit am wenigsten geschützt wurde und deren aktuelle Impfquote über der des Bundesdurchschnitts liegt, nun über eine nicht durchführbare Teststrategie indirekt zu eine höheren Impfquote gezwungen werden?
- Was geschieht mit Mitarbeiter*innen, welche nicht geimpft werden wollen oder können? Müssen diese, in Zeiten des sowieso bereits herrschenden Personalmangels, mit einer Kündigung rechnen? Soll nun nach der Masern-Impfpflicht für pädagogisches Personal noch die Corona-Impfpflicht kommen?
- Wie sind die Absonderungsregelungen umzusetzen? Sind zu viele Fachkräfte desselben Teams nicht geimpft, wird dann die Kita bzw. die betroffene Gruppe bei einem positiven Coronafall geschlossen? Was geschieht überhaupt bei einem positiven Coronafall im Personalkreis? Und wie verhält es sich mit der Arbeit in Kohorten (Gruppenübergreifend), welche zwingend notwendig ist, aber somit den zu testenden Personenkreis erheblich erweitert? Häufig ist ein gruppenübergreifender Personaleinsatz nötig, teilweise auch außerhalb der Kohorte oder einrichtungsübergreifend. Wie sind in diesem Fall die Anordnungen bezüglich Teststrategie und Quarantäne?
- Durch wen und wie wird eine Testung von zusätzlich pädagogisch tätigen Personen finanziert, gewährleistet und überprüft (bspw. Sprachförderkräfte und Heilpädagogen)?
-> Im Hinblick auf Elternarbeit stellt sich die Frage, wie es sich mit Elterngesprächen, Eingewöhnungen etc. gestaltet? Gilt hier die 3G-Regelung? Durch wen und wie muss die Einhaltung dokumentiert werden? Dürfen Elterngespräche stattfinden und wenn ja, mit welchen Vorgaben?
- Ist es vorgesehen, die Kita Quarantäne-Regelung an die der Schule anzupassen? Worin begründen sich die aktuellen Unterschiede? Weshalb ist im Falle eines positiven Coronatests keine PCR-Lollipooltestung des betreffenden Personenkreises vorgesehen? Hängt dies mit der Lohnfortzahlung der mit in Quarantäne verwiesenen Eltern zusammen?
- Wann wird endlich erkannt, dass die Mitarbeiter*innen und Kinder in den Kitas einer größeren Ansteckungsgefahr ausgeliefert sind als an den Schulen? Und was wird zu ihrem Gesundheitsschutz unternommen?
-> Die Kitas werden, im Gegensatz zu vielen der Schulen, in der Regel nicht mit CO2-Filtern und –ampeln ausgestattet. Warum wird auch hier ein Unterschied zwischen Schulen und Kitas gemacht?
-> Weiterhin besagt der KVJS klar, dass der Mindestpersonalschlüssel um 20% unterschritten werden darf. Dies kann und darf nicht sein, besonders im Bezug darauf, dass wir mit Mehrarbeit und vielen zusätzlichen Aufgaben durch die Pandemie gehen. Wann können wir endlich damit rechnen, dass von dieser Regelung abgerückt wird?