Pressemitteilung zur Änderung des Kita Gesetzes (10.11.2023)

„Wir haben den Eindruck, dass sich die Landespolitik der Wichtigkeit der frühkindlichen Bildung nicht bewusst ist oder wie kann es sein, dass die Debatte zu diesem wichtigen Gesetzentwurf nicht stattfand, obwohl es auf der Tagesordnung stand?“, äußert sich Anja Braekow zur gestrigen Plenardebatte. Unserer Ansicht nach muss endlich eine detaillierte und fundierte Auseinandersetzung mit dem Kita-System stattfinden. Der aktuell noch sehr schwer zu greifende Erprobungsparagraf bringt noch mehr Verunsicherung bei pädagogischen Fachkräften, Trägern und Eltern, als dies aktuell eh schon der Fall ist. Wir kritisieren, dass die Maßnahmen, die durch diesen Paragrafen ergriffen werden können, ohne Bedingungen oder Evaluisierungsinstrumenten daherkommen. „Vielerorts ist bereits jetzt die Bildungsarbeit in Kitas erschwert. Der Erprobungsparagraf könnte diese noch verschlechtern, ebenso wie die Arbeitsbedingungen. Dieser Paragraf ähnelt einer Symptombehandlung, nicht einer Ursachenforschung. Wir befürchten, dass Qualität das Erste sein wird, das gestrichen wird“, äußert sich Anja Braekow 1. Vorsitzende des Verbands Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg zum Erprobungsparagrafen. Bildungsarbeit und individuelle Entwicklungsbegleitung werden je nach getroffener Maßnahme nicht mehr möglich sein und die Anforderungen an die verbleibenden pädagogischen Fachkräfte werden noch mehr ansteigen. „Wir befürchten, dass gute Kinderschutzkonzepte in den Schubladen ihr Dasein fristen werden. Außerdem wird es Einbußen in der Bildungsarbeit geben. Wenn bereits jetzt eine gut ausgebildete Fachkraft aufgrund der momentanen Bedingungen ihren Aufgaben nicht professionell nachgehen kann, wie soll das dann eine Zusatzkraft mit keiner oder bestenfalls einer verkürzten pädagogischen Ausbildung hinbekommen?“, stellt Braekow infrage. „Diese Zusatzkräfte brauchen selbst noch Begleitung und müssen in die unterschiedlichen Konzepte und Aufgaben unterwiesen werden.“
„Erheblich mehr Sinn machen würde eine Nachbesserung der Leitungszeit, ein verbesserter Personalschlüssel, eine bezahlte Ausbildung, Hauswirtschaftskräfte, Bürofachkräfte und ein angemessener Aufwand der Bürokratie. Wenn dazu Zusatzkräfte on top und nicht als Ersatz kämen, wären wir auf dem richtigen Weg“, stellt Braekow weiter fest. Der aktuell eingeschlagene Weg, der aus den Forderungen des Städtetags heraus eingeschlagen wird, kann unter guten Umständen zu einer Erhöhung der Betreuungskapazität führen, wird aber ohne festgelegte Rahmenbedingungen und evaluierbaren Parametern zu einer verminderten Bildungsqualität führen. Gerade nach den letzten Vergleichsstudien im Grundschulbereich sollte aber klar sein, dass ohne gute Bildungsqualität für die Zukunft nicht viel gewonnen wird. „Wir können nicht absehen, welche genauen Folgen einzelne Maßnahmen für die Entwicklung der Kinder haben werden, aber wir wissen, dass sich Stress und Lärm negativ auf die Gesundheit auswirken. Die Kinder und Mitarbeitenden in immer größeren Gruppen diesen Faktoren auszusetzen ist fahrlässig und gesundheitsschädigend“, bringt Braekow den Aspekt der physischen und psychischen Gesundheitsförderung ein. Der Erprobungsparagraf soll es ermöglichen, weniger Personal einzusetzen, ebenso wie eine Erhöhung der Gruppengröße oder das Splitten von Bildungs- und Betreuungszeit. „Kein Mensch, somit auch kein Kind, ist in der Lage, seinem Gehirn vorzuschreiben, wann und was es zu lernen hat und wann es nur funktionieren muss. Somit ist es schlichtweg nicht möglich, in der frühkindlichen Bildung eben dies zu tun. Betreuung und Bildung kann nicht getrennt werden, wenn, dann kann man Eltern und Kommunen klar machen, dass man wegen fehlender Ressourcen keine expliziten Bildungsimpulse und somit Anreize setzen kann, aber zumindest die Kinder beaufsichtigt werden“, erläutert Anja Braekow einen Aspekt der Kita Arbeit. „Kinder werden zu Opfern von minderwertigen Erprobungsmodellen gemacht. Es muss ein Umdenken auf politischer und gesellschaftlicher Ebene geben. Jede Investition in frühkindliche Bildung ist eine gute Investition und wird sich um ein Vielfaches auszahlen. Kinder sind unsere Zukunft. Was wir hier nicht erfolgreich umsetzen, wird die Gesellschaft unweigerlich einholen“, schließt Braekow ab.
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Stellungnahme zum Gesetzesentwurf der AfD Fraktion (Nachtrag)

Im Juli 2022 erreichte uns ein Gesetzentwurf der Fraktion der AfD
Gesetz zur Verbesserung der der Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Schulstart (Gesetz zur Änderung des Kindertagesbetreuungsgesetzes)
In diesem Entwurf sieht die AfD eine Änderung des Kindertagesbetreuungsgesetz (KiTaG) vor, indem sie folgende Forderungen stellt:
  • Alle Kinder, die einen Kindergarten oder eine Kindertagesstätte besuchen und ein Jahr vor ihrer Einschulung stehen, müssen bis zu ihrer Einschulung eine Schulvorbereitungsgruppe in ihrer Einrichtung besuchen
  • Die Aufgabe der Schulvorbereitungsgruppen besteht in der Herstellung der Grundschulfähigkeit ohne Vorwegnahme der Lerninhalte der Grundschule.
  • Der Unterricht in den Gruppen erfolgt vormittags und hat einen Umfang von täglich vier Stunden an fünf Tagen in der Woche
  • Gefördert werden die schriftsprachlichen und mathematischen Vorläuferkompetenzen, die Feinmotorik und die räumliche Orientierung durch Unterricht in Deutsch und Rechnen im Umfang von jeweils 6 Wochenstunden sowie in Sport und Heimatkunde im Umfang von jeweils 4 Wochenstunden
  • Zum Abschluss der Schulvorbereitungsgruppe erfolgt eine Prüfung, in der Lernerfolg, Verhalten und Mitarbeit benotet werden
  • Im Orientierungsplan Erziehung und Bildung wird die Schulvorbereitung als Schwerpunkt verankert.
Wir, der Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg bezogen Stellung. Wir erachten eine solche Gesetzesänderung als nicht notwendig, weil
  • über 90 % der Kinder im Vorschulalter in Baden-Württemberg den Elementarbereich einer Kita besuchen
  • der Elementarbereich in der Regel drei Jahre besucht wird
  • das Kind in diesen drei Jahren frühkindliche Bildung in Form von ganzheitlicher Förderung erfährt
  • dies die Schulung der Fein- und Grobmotorik, die räumliche Orientierung, Verantwortung für sich, Mitmenschen und der Umwelt zu übernehmen, Partizipation zu leben, soziale Fähigkeiten wie Empathie zu entwickeln, frühe mathematische Bildung und Sprachkompetenzen beinhaltet
  • die Kinder im Elementarbereich soziale und emotionale Kompetenzen entwickeln und damit das Fundament der Persönlichkeitsentwicklung gelegt wird
  • das Modell der altersgetrennten Gruppen in der Elementarpädagogik bereits in den 1980er-Jahren aus pädagogischen Gründen weitestgehend abgeschafft wurde
  • es in den meisten Kitas in Baden-Württemberg gute Vorschulprogramme gibt, in denen die Kinder intensiv auf die Schule vorbereitet werden
  • der vorhandene Orientierungsplan aktuell überarbeitet wird und hierbei eine verbindliche Kooperation Kindergarten-Schule sowie Vorschulangebote festgeschrieben werden
  • nach aktuellem wissenschaftlichem Stand das Kind im Fokus bleiben soll
  • frühkindliche Bildung nicht mit schulischer Wissensvermittlung verbunden werden soll
  • kindliche Bildung Persönlichkeitsbildung ist und somit ganzheitlich zu verstehen ist
  • Schulfähigkeit bedeutet z. B. ein Kind hat lebenspraktische Kompetenzen erworben, kann Frustrationen aushalten, für sich einstehen und sich für eine kurze Zeitspanne auf ein Thema fokussieren und konzentrieren
Den kompletten Gesetzentwurf sowie unsere Stellungnahme könnt ihr in den anhängenden Dateien nachlesen.
Gesetzesentwurf der AfD 2022.07.14 Stellungnahme zum Gesetzentwurf der AfD